Hilpoltstein/Heideck
Von der Uni zur Lehre im Wunschberuf

Die außergewöhnlichen Ausbildungswege von Lukas Gloßner und Lennard Lang - Über 1400 freie Lehrstellen

27.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:20 Uhr
Vom Finanzmarkt an den Herd: Lennard Lang beginnt am Montag eine Kochlehre. Die Liebe führte den gebürtigen Stuttgarter sowohl nach Rudletzholz als auch zum früheren Traumberuf. −Foto: Leykamm

Hilpoltstein/Rudletzholz (HK) Am kommenden Montag, 2. September, beginnt das neue Ausbildungsjahr. Die Chancen für junge Menschen, in einem Beruf ihrer Wahl durchstarten zu können, sind dabei so gut wie nie. "Die jungen Leute können sich heutzutage ihre Lehrstelle quasi aussuchen", sagt Ute Ernst vom der Arbeitsagentur Ansbach-Weißenburg. In einer Arbeitswelt mit einem immer breiter werdenden Spektrum an Ausbildungsmöglichkeiten und der damit verbundenen Qual der Wahl entscheiden sich aber so manche Schulabgänger ganz bewusst für vertraute Berufe. Und selbst Studenten kehren für ihren Wunschberuf der Universität den Rücken.

 


So wie Lukas Gloßner aus Nennslingen. Der 23-Jährige hat seine Schreinerlehre in einem Heidecker Betrieb kürzlich schon hinter sich gebracht und seinen Gesellenbrief bereits in Empfang genommen. Der Weg dahin war aber ungewöhnlich: "Zuerst habe ich nach dem Abitur ein Studium der Geographie begonnen", erzählt Gloßner im Gespräch mit unserer Zeitung. Er folgte einfach einer alten Logik: Wenn man schon auf dem Gymnasiums war, will man auch auf die Uni. Bei Gloßner aber führte es auf die falsche Fährte, wie er bald bemerkte.

So erinnerte er sich an das, was ihm wirklich Freude bereitete. Etwa in der Hobbywerkstatt seines Vaters mit Holz zu arbeiten. Was daheim gut klappt, kann ja auch beruflich funktionieren, dachte sich der Nennslinger und suchte sich zunächst eine Praktikumsstelle. Schnell fand er Gefallen an der Schreinerei und fragte schließlich im Rudletzholzer Betrieb von Reinhard Siegert nach einem Ausbildungsplatz. Der Chef gab nicht nur seine Zusage, sondern auch ein Lob für die Vorgehensweise von Lukas Gloßner: "Ein Praktikum ist wichtig für beide - den Schnupperlehrling und den Betrieb", sagt Siegert, der auch stellvertretender Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Mittelfranken Süd ist.

Klug ist seinen Worten zufolge auch die Entscheidung gewesen, sich für das Handwerk zu entscheiden. "Denn hier wird das Fundament gelegt", sagt Siegert gewiss. "Eine Ausbildung zum Facharbeiter garantiert einen sicheren Job. Und wenn man will, kann man danach immer noch in die Industrie gehen." Doch galt egal, wohin die berufliche Reise letztlich geht: Ausbildungsbetriebe sollten es sich zur Aufgabe machen, jungen Menschen viele Chancen zu eröffnen und Wege aufzuzeigen, die auch zum Meistertitel oder zum Studium führen können.

Ungeachtet der beruflichen Perpektiven und der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten spielt freilich auch das Geld eine gewichtige Rolle, räumt Siegert ein. Als bei den Schreinern die Löhne der Lehrlinge stiegen, habe sofort die Zahl der Auszubildenden zugenommen, berichtet der stellvertretender Kreishandwerksmeister aus seiner eigenen Branche. Nach wie vor sehr schwer bei der Suche nach Lehrlingen hätten es dagegen die Betriebe aus dem Bauhauptgewerbe oder aus dem Nahrungsmittelbereich. Hier schrecken neben dem geringen Gehalt auch noch die oft unangenehmen Arbeitszeiten den Nachwuchs ab.

Nicht so Lennard Lang, der nun eine Kochlehre beginnt. Das hatte der 27-Jährige eigentlich schon immer vor. Doch auch der gebürtige Stuttgarter folgte dem Lehrsatz, dass dem Abitur doch eigentlich ein Studium folgen solle. In seinem Fall ein Studium des Bank- und Finanzwesens. Doch das Leben schreibt seine eigene Regeln. Auf Mallorca lernte er Stefanie Speth kennen und lieben, die Tochter von Willi und Sieglinde Speth, im Landkreis Roth bekannt als die Betreiber des Gasthofs "Zu den drei Linden" in Rudletzholz. Damit machte es plötzlich Sinn, dem einstigen Drang zum Kochberuf wieder nachzugeben. Das Ziel ist nun, gemeinsam mit seiner 26-jährigen Partnerin, einer gelernten Hotelfachfrau, den Rudletzholzer Gasthof eines Tages übernehmen zu können.

 

Seine Lehre absolviert er allerdings in einer anderen "Linde", nämlich im Stirner Landgasthaus "Zur Linde". Lennard Lang wird dort die Ausbildungszeit verkürzen, so dass er nach zwei Jahren von der einen zu den drei Linden zurückkehren kann. Und hier dürften ihm dann auch die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse aus dem Studium zugute kommen. Eigentlich aber, so sagen es Lang und auch Siegert, sei der andere Weg der bessere. Erst eine Ausbildung absolvieren und sich danach die Kenntnisse der Buchhaltung aneignen.

Lennard Lang macht aber auch der eigene Weg glücklich. Die Möglichkeit, die eigene Kreativität ausleben zu können, und dazu das familiäre, ländliche Umfeld - von alldem schwärmt der angehende Koch, der kein Analyst werden wollte. Seinen ersten Probetag in Stirn hat er schon hinter sich: "Die Stimmung ist gut, ich bekomme Appetit auf die Ausbildung", sagt er. Die Bezahlung und die Arbeitszeiten sind da für ihn zweitrangig - "man muss Prioritäten setzen", sagt Lang.

Der stellvertretende Kreishandwerksmeister hofft, dass viele junge Menschen dem Beispiel von Lennard Lang folgen und dem Studium eine Lehre vorziehen. Denn jeder der gewillt ist, hat laut Siegert derzeit die Chance, seinen Traumberuf zu bekommen, wenn vielleicht auch nicht direkt vor der Haustür." In einem Umkreis von 25 Kilometern rund um Hilpoltstein sind der Arbeitsagentur derzeit mehr als 1400 offene Lehrstellen gemeldet.

Dass im Vergleich zu früheren Jahren immer mehr Lehrstellen unbesetzt bleiben, davon geht Ute Ernst von der Arbeitsagentur Ansbach-Weißenburg aus. Größere Unternehmen mit attraktiven Ausbildungsplätzen bleiben vom allgemeinen Lehrlingsmangel zwar weiterhin verschont, sagt Ernst. Doch für kleinere Betriebe, besonders auf dem Land und im Handwerk, verschärfe sich die Lage immer mehr.

Wie die Situation in den einzelnen Brachen konkret aussieht, erläutert Sebastian Dörr, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mittelfranken-Süd: Einer anhaltend großen Beliebtheit erfreuen sich die Lehrstellen zum Elektroniker, zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik sowie zum Kfz-Mechatroniker erfreuen. Trotz eines Zehn-Jahres-Hochs bei den Ausbildungszahlen in den beiden erstgenannten Berufen würden aufgrund der guten konjunkturellen Lage dort weiterhin Azubis gesucht. Händeringend gesucht werden Lehrlinge auch unter den Maurern, Stuckateuren, Zimmerern, Malern und Lackierern, Schreinern und insbesondere den Bäckern und Metzgern - oft bleibt die Suche hier aber vergeblich.
 

Jürgen Leykamm