Ilmmünster
Von der Bewahranstalt zum Kindergarten

Vor 120 Jahren wurden in Ilmmünster erstmals Buben und Mädchen von Ordensschwestern betreut

21.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:26 Uhr

Die Kinder der Bewahranstalt im Jahr 1932: Das alte Foto zeigt eine Novizin mit ihren 34 Schützlingen vor dem Kindergarten. Das Gebäude scheint in keinem guten Zustand zu sein. Im Bild ganz rechts, vor der Ordensfrau, sitzt der spätere Pfarrer Michael Stelzer. Repro: Waltenberger

Ilmmünster (PK) Der Ilmmünsterer Kindergarten hat mit einem Fest am Samstag seinen 120. Geburtstag gefeiert. Zeit für einen Blick zurück: Im Laufe vieler Jahrzehnte wurde die einstige Kleinkinderbewahranstalt trotz manch herbem Rückschlag zu einer modernen Betreuungseinrichtung.

Die Vorgeschichte des Kindergartens in Ilmmünster beginnt eigentlich schon vor 124 Jahren: 1890 herrschen unzumutbare Zustände in Sachen Schulraumsituation, sodass der Neubau eines Schulhauses für Mädchen ins Auge gefasst wird. Die am 21. August 1891 genehmigten Pläne sehen im Erdgeschoss einen Raum mit etwa 32 Quadratmetern für die Kleinkinderbewahranstalt vor. Zweck der Anstalt ist, die Kinder „vor Gefahren des Leibes und der Seele zu bewahren“ und die Eltern „in der Erziehung und Ernährung“ zu unterstützen. Den Eltern soll außerdem ermöglicht werden, „ihrer Arbeit unbesorgt und ungestört“ nachgehen zu können. Wie die Betreuung der Kinder – die Chronik des Kindergartens berichtet von zeitweise bis zu 60 – auf engstem Raum ausgesehen hat, darüber kann man heutzutage nur rätseln.

Bereits im Juni 1892 wendet sich die Gemeindeverwaltung Ilmmünster an den Orden der Armen Schulschwestern mit der Bitte „für diese unsere Anstalt, eine Ordenskandidatin zu bestimmen und zugleich zu bezeichnen, was unsere Gemeinde für deren Anstellung und Dienstleistung per Jahr an Gehalt zu bezahlen hat“. Gleichzeitig weist der Bürgermeister darauf hin, dass das Salär für die Leiterin „in milder Weise“ angesetzt werden solle, „da übrigens die Gemeinde nicht zu den vermöglichsten zählt“.

Nicht zuletzt durch den Einsatz von Kapuzinerpater Franz Xaver Kappelmayer, gebürtiger Ilmmünsterer, können die Pläne schließlich umgesetzt werden. Einem Schreiben ist zu entnehmen, dass er der Gemeinde Ilmmünster die Summe von ungefähr 30 600 Mark, übergibt, „die er mit großer Mühe innerhalb zwölf Jahren von verschiedenen Wohltätern zusammengebracht hatte“.

Im Jahr 1894 tritt schließlich Schwester Maria Honesta Lipp als erste Kindergartenschwester ihren Dienst an. Nach ihrem frühen Tod 1898 im Alter von nur 27 Jahren gibt es in den folgenden Jahren mehrfache Wechsel. 1911 nimmt Schwester Maria Inna Deckert ihren Dienst in der Kleinkinderbewahranstalt auf. Der Andrang ist riesig, doch Schwester Inna meistert die Aufgaben tadellos. Erst 1954, nach 43 Berufsjahren, geht die Ordensschwester mit 70 Jahren in den Ruhestand.

Schwester Inna erlebt zuvor aber auch die Tiefen der Kindergartengeschichte: Durch die Inflation gerät die Kleinkinderbewahranstalt 1934 in eine finanzielle Notlage, denn das Vermögen der Anstalt, das den Bauunterhalt hätte sichern sollen, geht verloren. Und fünf Jahre später kommt der nächste Rückschlag: Ab November 1939 verbieten die Nationalsozialisten den Weiterbetrieb durch Schwestern des Ordens der Armen Schulschwestern. Der nationalsozialistische Staat beansprucht, dass ihm allein die Erziehung der deutschen Jugend zusteht. Wenige Tage später eröffnet die nationalsozialistische Volkswohlfahrt einen Kindergarten. Doch nach Kriegsende kehren die Ordensschwestern zurück und übernehmen die Leitung wieder.

Es folgen auch wieder bessere Zeiten: Eine erste Erweiterung des Kindergartens erfolgt 1951. Die nutzbare Fläche erhöhte sich damit auf etwa 46 Quadratmeter. Im Jahr 1957 bekommt das Gebäude der Mädchenschule außerdem einen Anbau mit drei Spülklosetts und zwei Waschgelegenheiten für den Kindergarten im Erdgeschoss und einer Schulküche im Obergeschoss. Finanziert wird dies mit einer Kirchensammlung und Haussammlungen in Ilmmünster, Ilmried und Hettenshausen.

Der Platz reicht trotzdem nicht aus: Im März 1970 stellt das Gesundheitsamt Pfaffenhofen fest, dass „derzeit 46 Kleinkinder im Alter von drei bis sechs Jahren den Kindergarten besuchen, sodass der vorhandene Raum von nur 46 Quadratmetern Größe keineswegs den vorgeschriebenen Raumbedarf (3,5 Quadratmeter Bodenfläche je Kind) deckt.“ Im Bericht wird vorgeschlagen, dass nach der Übersiedlung der Schulkinder ins neue Schulhaus leer stehenden Räume im oberen Stockwerk für den Kindergarten genutzt werden. In den 80er Jahren erlebt die Einrichtung eine aufwendige Generalsanierung, mit der der Kindergarten sein heutiges Aussehen erhält.

1981 beendet außerdem die letzte Ordenschwester ihre Tätigkeit in Ilmmünster. Der Gemeindekindergarten bekommt nun eine weltliche Leitung. Diese Aufgabe übernimmt vier Jahre später Christine Rockermayer, die den Ilmmünsterer Kindergarten insgesamt 29 Jahre führen wird. Dienstälteste Erzieherin ist aber Ursula Breitsameter mit 34 Jahren.

Derzeit geht das Kind einer Familie in der vierten Generation in den Kindergarten Ilmmünster. Schon die Urgroßmutter, Anna Moser aus Ilmried, hatte in den 20er Jahren die „Anstalt“ besucht. Wahrscheinlich hätte sie die Erinnerungen des Kindergartenkindes Katharina Breitsameter aus den 30er Jahren geteilt. Diese erinnerte sich, dass Schwester Inna bei der Betreuung alleine war: „Nur wenn Not am Mann war, half die Handarbeitsschwester aus“ und „brav sein, war die Hauptsache“. Auch Lieder und Reime fallen ihr noch ein: „Drüben am Karollersee, wo die Fischlein schwimmen“ und „Annie fuhr zum ersten Mal, mit der Bahn ins Neckartal“. Bevor die Kinder damals nach Hause gingen, verabschiedeten sie sich mit dem Vers „Ist die Anstalt geschlossen, gehen wir fröhlich nach Haus, Mutter heißt uns willkommen, teilt das Vesperbrot aus.“

Seither hat sich vieles geändert. Aus der Kleinkinderbewahranstalt ist eine moderne Einrichtung geworden, die neben einem Betreuungs- und Erziehungsauftrag auch einen Bildungsauftrag hat. Was sich nicht geändert hat, sind die Kinder – immer neue Generationen kommen nach. Und mit ihnen bleibt diese Institution auch nach 120 Jahren jung, lebendig und fröhlich. Die bunten Aufführungen der Kindergartenkinder zum Auftakt des Festes (siehe Bericht unten) haben dies bewiesen.