Ingolstadt
Von Aufstiegshoffnung zu Abstiegsangst

Nach dem ernüchternden 0:1 gegen den VfL Bochum ruft der FC Ingolstadt den Existenzkampf aus

06.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

Unter Stefan Leitl als Chefcoach lief es für den FCI nur anfangs rund.

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Ingolstadt (DK) So schnell kann es in dieser Saison in der 2. Bundesliga gehen: Noch zur Winterpause galt der FC Ingolstadt als Aufstiegskandidat und lag mit fünf Punkten Rückstand aussichtsreich im Rennen. Nach dem 0:1 gegen den VfL Bochum sind die Schanzer nun nur noch vier Zähler von der Abstiegszone entfernt.

Die dramatische Wende nach der dritten Niederlage hintereinander droht den Bundesliga-Absteiger mit in den Abgrund zu reißen. Entsprechend aufgewühlt ist die Stimmung bei den Verantwortlichen, die die Mannschaft sofort nach Spielende in der Kabine zu einem Krisentreffen versammelten und das Team auf den Abstiegskampf einschworen.

"Ich möchte mich bei allen Zuschauern für die Leistung entschuldigen", sagte Trainer Stefan Leitl nach der ernüchternden und leblosen Vorstellung seiner Mannschaft am Montagabend. Dann blickte er voraus: "Wir befinden uns im Abstiegskampf. Jetzt gilt es, die nötigen Tugenden auf den Platz zu bekommen, um das anzunehmen, was uns in den nächsten Wochen erwartet: purer Existenzkampf."

Sportdirektor Angelo Vier meinte: "Man muss ja nur auf die Tabelle gucken. Damit ist ganz klar, dass wir im Abstiegskampf stecken. Jetzt geht es nach Darmstadt, das ist ein Spiel, in dem es nur gegen den Abstieg geht." Die Lilien - vor drei Jahren gemeinsam mit den Schanzern in die Bundesliga auf- und 2017 wieder abgestiegen - liegen mit 26 Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz mit vier Zählern Rückstand zum rettenden Ufer. Wir blicken auf die aktuelle Situation des FCI.
 

Das Bochum-Spiel

In der wegweisenden Partie, in der die Schanzer immer noch den Kontakt zu Platz drei hätten herstellen können, zeigten sie ihre schwächste Leistung in diesem Jahr. Kaum Spielideen, wenige Chancen, keine Emotionen - die Darbietung der verunsicherten und auch nicht homogenen Mannschaft war blamabel. "Es war viel Hektik und wenig Kontrolle in unserem Spiel", meinte Leitl. Vier sah einen Grund in dem vergebenen Elfmeter. "Wir hatten in den letzten beiden Spielen zweimal die Chance, durch einen Elfmeter in Führung gehen zu können. Die nutzten wir aber nicht. Danach war schon ein Bruch in unserem Spiel, wir haben uns nicht als Mannschaft dagegen wehren können", meinte der Sportdirektor.

 

Die Spielidee

"Ballbesitz schießt keine Tore", sagte Christian Träsch schon vor der Partie und behielt zum Unglück für die Schanzer recht. Zum wiederholten Mal hatte der FCI als Favorit häufiger den Ball als der Gegner (55:45 Prozent) und lief mit 124 Kilometern auch deutlich mehr (war sogar der Topwert des Spieltags), doch im Ergebnis und der Spielqualität schlug sich das nicht nieder. "Wir haben es in den vergangenen Wochen nicht so hinbekommen, über das Fußballspielen und über Flachpasskombinationen Tore zu erzielen. Vielleicht wählen wir mal wieder das einfache Mittel, den hohen Ball", räumte Leitl ein. Vier wurde in diesem Punkt deutlich: "Dieser Ballbesitzfußball - das kann in Deutschland vielleicht eine Mannschaft dauerhaft erfolgreich spielen. Wir müssen jetzt anders spielen. Es geht nicht um Ballbesitz, sondern darum zu punkten. Egal mit welchen Mitteln."

 

Stefan Leitls Position

Ausgerechnet Bochum. Vor dem Hinspiel (0:2) wurde der 40-Jährige vom Interimstrainer (7 Punkte in 4 Spielen) zum Cheftrainer befördert. Nun, nach 18 weiteren Zweitliga-Partien (7 Siege, 6 Niederlagen) mit dem 0:1 erneut gegen das Ruhrpott-Team steht der Ismaninger und langjährige FCI-Spieler und -Kapitän vor seiner größten Bewährungsprobe. Sportdirektor Vier gibt die in dieser Situation übliche Rückendeckung: "Der Trainer macht eine gute Arbeit, hat eine gute Ansprache und macht eine gute Auswertung. Das ist momentan nicht das, woran es liegt. Wir brauchen nicht über den Trainer zu reden." Fakt ist aber, dass die Formkurve der Schanzer seit der Winterpause massiv nach unten zeigt und zudem keine Mannschaft auf dem Platz zu erkennen ist.
 

Die Stimmung im Team

Die zuletzt mehrfach geäußerte Kritik an Mitspielern, Stefan Kutschkes Vorpreschen über mangelnden Kampfgeist und weitere Anspielungen über fehlende Emotionen deuten an, dass die Mannschaft nicht an einem Strang zieht. Insofern nimmt Vier die Profis in die Pflicht. "Jeder Spieler hat nichts anderes zu tun, als sich auf Fußball zu fokussieren und sich für den Verein zu zerreißen. Aber nicht nur jeder für sich, sondern als Mannschaft. Es ist nicht so, dass die Jungs nicht wollen, aber es ist wichtig, das als Einheit zu machen. Egal wie der Weg jetzt dann aussieht, die Mannschaft muss zusammenstehen."

 

Die Reaktion der Fans

Im Audi-Sportpark herrschte ein regelrechtes Untergangsszenario, teilweise mit Totenstimmung. Erschreckend, wie viel Hohn dem Team aus der Fankurve entgegenschlug. "Oh wie ist das schön", sangen die Fans und ließen den früheren Publikumsliebling Lukas Hinterseer mit Sprechchören hochleben, der mehrfach einen Treffer für die Bochumer auf dem Fuß beziehungsweise Kopf hatte. 7934 Zuschauer bedeuteten den zweitschwächsten Besuch in dieser Saison - von der Begeisterung und Identifikation, selbst in der Abstiegssaison, ist nichts mehr übrig.

 

Der Ausblick

Noch haben die Schanzer vier Punkte Vorsprung vor dem Abstiegs-Relegationsplatz. Doch am Samstag (13 Uhr) beim Tabellenvorletzten Darmstadt 98 müssen die Ingolstädter als bisheriger Aufstiegskandidat nun plötzlich auf Abstiegskampf umschwenken. Mental kein einfacher Spagat. "Jetzt haben wir Druck, damit müssen die Jungs umgehen. Wir wissen, was uns in Darmstadt erwartet. Es wird viel physische Präsenz auf uns zukommen", sagte Leitl, der nun - nach vielen Personalrochaden seit der Winterpause - in kurzer Zeit herausfiltern muss, wer dieser Situation gewachsen ist (Kommentar zur aktuellen Lage des FCI).

Kapitän Marvin Matip gibt die Marschrichtung vor. "Wir müssen alles ein bisschen einfacher machen und jeden mit einem klaren Auftrag in die Partie schicken. Wir haben es schon mal bewiesen, dass wir uns von hinten rausarbeiten können. Aber wir müssen jetzt alle Träumereien beiseitelassen, malochen und uns da rausziehen."