Neuburg
Vom einfachen Streit zum offenen Krieg

Neuburgs Geschichte ist voller Konflikte

09.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr
Heinrich von Kalden. −Foto: Kantonsbibliothek St.Gallen

Neuburg (DK) Das Mittelalter in der Region rund um Neuburg verläuft selten
ohne blutige Auseinandersetzungen. Verantwortlich dafür sind meistens die Adelshäuser, die mit ihren oftmals brutalen Fehden das Land und seine Bevölkerung plagen. Es sind Jahrhunderte voller Konflikte und Streitereien – mit teils schlimmen Folgen.

Wenn die Archive schweigen, wird die Arbeit für Historiker richtig hart. Eine einfache Tatsache, die auch für das Mittelalter im Neuburger Raum Gültigkeit hat. Dünn sind die Erkenntnisse aus dieser Ära zwischen dem Ende der römischen Herrschaft an der Donau und dem Beginn der Neuzeit. Und doch ist es eine Epoche, die den Menschen nur selten Frieden bringt. Schuld daran: die herrschende Klasse. Es ist die Zeit blutiger Adelsfehden.

Mal sind es Verschwörungen, die in schummrigen Hinterzimmern geschmiedet werden, mal eskalieren diese Fehden zu offenen Konflikten, gar regelrechten Kriegen. Und immer leidet das einfache Volk am meisten darunter. Bestes Beispiel für einen außer Kontrolle geratenen Zwist ist aus Sicht des Neuburger Kreisheimatpflegers Manfred Veit der Bayerische Krieg. „Das war nichts anderes als eine eskalierte Fehde“, erklärt der Historiker, der sich bereits intensiv mit dieser Phase der Geschichte befasst hat. Prägend für diese Epoche seien immer wieder kleinere Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Adelsgeschlechtern gewesen. „Denn in erster Linie war eine solche Fehde ein Konflikt zwischen zwei Männern“ – ausgetragen von vielen.

Den Auftakt in diese blutige Ära voller Ränke und Intrigen, voller Krieg und Zerstörung bildet jedoch ein brutaler Überfall, der nichts mit den späteren Fehden zu tun hat. Um das Jahr 900 sollen die Ungarn schlimm in der Region gewütet haben. Besonders hart trifft es damals das noch kleine Schrobenhausen, das die Horden aus dem Osten komplett zerstören – ein Schicksal, das die heutige Spargelstadt gut 400 Jahre später erneut trifft. In Neuburg kommt den Menschen wohl eine kleine Burg bei Bergen zugute, in der sie sich zum Schutz retten können – eine Vermutung der Historiker.
 

Ein Königsmord läutet die Zerstörung der Neuburger Burgen ein

Nach diesen kriegerischen Jahren, deren Ende der Sieg der Ostfranken über die Ungarn bei der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955 markiert, beginnt die Zeit der Adelskonflikte in der Region. Am prägendsten für Neuburg und Umgebung ist zweifellos die Fehde zwischen den Wittelsbachern und den Andechs-Meraniern. Dessen Höhepunkt: die Ermordung des staufischen Königs Philipp von Schwaben 1208 in Bamberg. Als Täter gilt der bayerische Pfalzgraf Otto VIII., ein Wittelsbacher – die genauen Hintergründe des Mordes sind bis heute umstritten. Überliefert ist jedoch, dass die Schuld daran zunächst den rivalisierenden Andechsern zugeschoben wird, die sich – vermutlich durch einen Komplott der Wittelsbacher – dadurch plötzlich im Visier befinden. Die Folge: die Reichsacht für mehrere Mitglieder der Familie und damit der Verlust sämtlicher Besitztümer. Es ist der Anfang vom Ende für das Adelsgeschlecht, das schon 40 Jahre später endgültig ausstirbt.

Etwa um diese Zeit gerät Neuburg schließlich in den Fokus des jahrzehntelangen Konflikts. Seit 1197 haben über die dortige Burg – welche gemeint ist, ist unklar – und das Amt, also den Ort samt Umland, die Pappenheimer das Sagen, Gefolgsleute der Andechs-Meranier. Kaiser Heinrich VI. hatte der Familie Recht und Güter zugesprochen, entsprechende Belege dafür sind bis heute in einer Abschrift des Pappenheimer Urbars erhalten geblieben. Lange behalten die Regenten den Besitz an der Donau allerdings nicht, denn 1247 nehmen die Wittelsbacher den Pappenheimern Neuburg ab. 

Welches Ausmaß die Kämpfe hatten, gilt als umstritten. Klar ist aber, dass es dabei drei Befestigungen besonders hart trifft: Die Kaiserburg bei Oberhausen – benannt nach einem angeblichen Besuch des Kaisers Heinrich II. im zehnten Jahrhundert –, die Vogteiburg als Teil der Wehranlagen auf dem Stadtberg sowie die Alte Burg westlich von Neuburg fallen dem Wüten der Eroberer teilweise zum Opfer. Letztere wird nach einigen Jahrzehnten wieder aufgebaut, jedoch im Bayerischen Städtekrieg (1387 bis 1389) erneut zerstört; heute sind noch Teile erhalten, der Rest des Materials wird beim Bau der Hofkirche verwendet. Verantwortlich für die Okkupation Neuburgs ist damals Otto II., seit 1231 Herzog von Bayern. Dessen Vater Ludwig I. soll Jahre zuvor die Intrige gegen die Andechs-Meranier initiiert haben. 
Womöglich gerät Neuburg damals aber nur durch ein Ereignis im fernen Regensburg in den Mittelpunkt des Konflikts. Dort stirbt 1209, also viele Jahre vor den Kämpfen um die hiesigen Besitztümer, der vermeintliche Königsmörder Otto – erschlagen vom kaiserlichen Marschall Heinrich von Kalden, der seinem Kontrahenten der Überlieferung nach mit einem Hieb den Kopf abtrennt. Dass es eben jener Heinrich aus dem Geschlecht der Pappenheimer war, also ein treuer Gefolgsmann der Andechs-Meranier, der zuvor die Neuburger Besitztümer zugesprochen bekam, lässt bei den Gründen der Wittelsbacher für deren Eroberung viel Raum für Spekulationen. 


Heinrich von Kalden, der auch als Heinrich von Kalendin bekannt ist, hat womöglich auch im nahen Ehekirchen seine Spuren hinterlassen, genauer gesagt auf dem Lorenziberg. Von der dort angeblich von ihm errichteten Burg ist zwar allenfalls noch der Unterbau vorhanden. „Es gibt aber Historiker, die davon ausgehen, dass sich dort das Geschlecht der Pappenheimer entwickelt hat“, sagt Manfred Veit, betont aber, dass diese Hypothese „mit vielen Fragezeichen“ behaftet ist. Tatsächlich sind keine urkundlichen Nachweise erhalten geblieben, ein Burgstall mit dem Namen Kalteneck soll jedoch in dieser Gegend sehr wohl überliefert sein.

Aus einer Fehde entsteht das Fürstentum Pfalz-Neuburg

Übrigens: Das Ende der blutigen Adelsfehden in der Region – und auch im Rest des Landes – erfolgt am Konferenztisch. 1495 schafft der Reichstag zu Worms das mittelalterliche Fehderecht endgültig ab, der sogenannte Ewige Landfrieden hat in Teilen bis heute seine Gültigkeit und soll die Menschen vor Landfriedensbruch schützen. „Bis dahin galt das Recht des Stärkeren“, weiß Veit, der in der Abschaffung auch einen der Bausteine für den Beginn einer neuen Ära sieht. Immerhin endet um das Jahr 1500 das Mittelalter, die frühe Neuzeit beginnt. 


Doch ein Aus der Fehden von heute auf morgen ist dieser formale Akt keineswegs, das zeigt auch der Landshuter Erbfolgekrieg in den Jahren 1504 und 1505, der auch als Bayerische Fehde bezeichnet wird. Auslöser ist zwar der Tod des dortigen Herzogs Georg des Reichen, der ohne männlichen Nachkommen stirbt. Letztlich ist der Konflikt um Georgs Besitztümer lediglich eine Folge des Wittelsbacher Hausstreits, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrzehnten schwelt. Für Neuburg sind die Folgen massiv – vor allem durch die Gründung des Fürstentums Pfalz-Neuburg. Doch das ist eine andere Geschichte.
 

Kriegerische Heimatgeschichte

Wie wertvoll der Frieden der heutigen Zeit ist, zeigt sich immer erst, wenn er verloren geht, also im Krieg. Und davon gab es in der Neuburger Region im Laufe der Jahrhunderte mehr als genug. Von den Konflikten der Römer und Germanen bis zu den Feldschlachten der napoleonischen Eroberer, von den Fehden der mittelalterlichen Fürsten bis zu den Bombennächten im Zweiten Weltkrieg. In einer Serie beleuchten wir die kriegerische Heimathistorie rund um Neuburg. Dabei wird eines ganz deutlich: Jahrzehnte ohne Krieg und Verderben sind in der jahrtausendealten Geschichtsschreibung der Region wahrlich eine Seltenheit. Im zweiten Teil unserer Serie geht es um die Streitereien der Adelsgeschlechter im Mittelalter. DK