Ingolstadt
Verlockungen der Konsumgesellschaft

Prozess gegen mutmaßliche Anlagebetrüger gibt Einblick in Kreditvergabepraxis von Banken

10.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:50 Uhr

Ingolstadt (hl) Es ist nicht das spektakulärste Verfahren der jüngeren Zeit, sicher aber mit das langwierigste: Mühsam muss sich die 1. Strafkammer des Landgerichts seit Wochen durch die Beweisaufnahme gegen vier mutmaßliche Anlagebetrüger arbeiten.

Wie berichtet, sollen die Beschuldigten - drei Männer und eine Frau - in wechselnder Beteiligung für die Vermittlung oder den Verkauf überteuerter Immobilien verantwortlich gewesen sein, wobei laut Anklage erhebliche Provisionen in ihre Taschen geflossen sein sollen.

Der jüngste Verhandlungstag des bis in den Sommer terminierten Prozesses warf diese Woche ein Schlaglicht auf die Rolle, die offenbar gleich mehrere Kreditinstitute im dubiosen Geschäftsmodell der Angeklagten gespielt haben: Der Revisor einer Genossenschaftsbank aus der Oberpfalz sagte als Zeuge aus, dass die allem Anschein nach großzügige Kreditgewährung an die Opfer des mutmaßlichen Betrugssystems in seinem Hause eine ganze Weile lief, bevor ein Vorstandsmitglied dieser Praxis einen Riegel vorschob, weil ihm die Sache doch zu windig vorkam.

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler soll einer der Angeklagten, der in der Oberpfalz mit gleich mehreren Firmen als Bauträger aufgetreten ist, immer wieder Kunden davon überzeugt haben, dass sie trotz teils bereits bestehender Verschuldung durch Kauf einer von ihm vermittelten Wohnung Vorteile durch Mieteinnahmen zu erwarten hätten. Immer wieder sollen bei der Aufnahme neuer Immobilienkredite nicht unerhebliche Altschulden der Käufer abgelöst worden sein.

Freilich - so zumindest geht aus dem dem Gericht vorliegenden Gutachten hervor - waren die neuerworbenen Wohnungen meistens nicht den Kaufpreis wert; mitunter sollen sie bei später häufig notwendig gewordenen Notverkäufen oder Versteigerungen nur die Hälfte dessen erbracht haben, was die Kunden bezahlt hatten. Die Provisionen hatten sich allerdings an den hohen ursprünglichen Preisen orientiert.

Bei besagter Bank lief die Kreditgewährung trotz der längst nicht immer soliden Einkommenssituation der Wohnungskäufer offenbar lange recht flüssig. Man hatte sich auf Bankseite wohl nur grob nach den marktüblichen Preisen in den jeweiligen Wohnlagen erkundigt und will von überzogenen Bewertungen nichts geahnt haben. Erst im Nachhinein, als sich bereits Polizei und Staatsanwaltschaft für die Darlehensverträge interessierten, sei den Revisoren das immer gleiche Prozedere fragwürdig erschienen - "wie eine Masche, ein Vertriebsmodell".

Es sei heute durchaus üblich, so ließ der Bankfachmann das Gericht wissen, dass Kreditinstitute bei Immobilienfinanzierungen keine hundertprozentige Absicherung mehr verlangten. Je nach Einzelfall werde auch schon mal etwas "unter 80 Prozent" abgeschlossen. Hintergrund für diese Lockerungen ist allem Anschein nach die verschärfte Wettbewerbssituation in der Kreditwirtschaft. Da habe sich "viel geändert", so der Zeuge - "und schließlich haben wir ja eine Konsumgesellschaft".