Thalmässing (HK) Der Fall Sarah (3†) schlägt weiter hohe Wellen: Eine Anwältin hat gegen Mitarbeiter des Rother Jugendamtes Anzeige wegen "Beihilfe zum Mord" erstattet. Aufgrund der Anzeige hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Dies teilte der Nürnberger Justizsprecher Thomas Koch am Freitag mit. Aufgrund der Anzeige hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Koch stellte dazu klar, dass es sich nicht um Mord handle, sondern um Totschlag durch Unterlassen. Die kleine Sarah aus Thalmässing war vor knapp drei Wochen in einem Nürnberger Krankenhaus an Unterernährung gestorben. Sie wog nur noch acht Kilogramm. Die Anwältin, informierte Koch weiter, habe nichts mit dem bisherigen Verfahren zu tun.
In einem fünfseitigen Fax haben sich die Großeltern der verhungerten Sarah (3) aus Thalmässing öffentlich zu Wort gemeldet. In dem zweiten Schreiben, das sie über ihren Anwalt verbreiten ließen, äußern sie sich über Details aus dem Familienleben ihres Sohnes Patrick R. und dessen Frau Angela. Die Großeltern haben Sarahs Halbbruder Dominik (4), der aus einer früheren Beziehung von Angela R. stammt, bei sich aufgenommen. Für sie habe es "keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass Sarah nicht ordentlich versorgt wird oder dass irgend etwas nicht in Ordnung wäre". Laut Anwalt Stephan Baumann haben sie "zu keinem Zeitpunkt den Gedanken gehegt, dass Sarah verhungern könnte".
Die Großeltern schildern Sarah als "ein sehr ruhiges Kind", das nie geschrien habe. Wenn sie Oma und Opa besucht hat, sei die Kleine "sehr schüchtern" gewesen. "Sie hing sehr an ihrer Mutter und hat sich oftmals an sie gekuschelt oder sich zu ihren Eltern zurückgezogen und Halt gesucht."
Patrick R. (29) sitzt in Untersuchungshaft. Er hat bereis eine umfassende Aussage gemacht, doch Details gibt die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt. Der Mutter Angela R. (26) ist diese Woche der Haftbefehl eröffnet worden, nachdem sie aus dem Koma erwacht war. Sie liegt wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in einem Nürnberger Krankenhaus.
Ihre Schwiegertochter schildern Sarahs Großeltern als "aggressiv und aufbrausend". Deshalb sei der Kontakt zu ihr immer schwieriger geworden. Und damit auch zu Sarah. Während die Großeltern Dominik, der nicht ihr leibliches Enkelkind ist, jedes Wochenende zu sich nahmen, sahen sie Sarah in den letzten zwei Jahren kaum noch. Denn "das Abholen von Dominik fand zuletzt vor der Haustüre statt, direkt unten an der Straße", schreibt der Anwalt. "Es standen der Sohn oder die Schwiegertochter bereit, um Dominik und seine Sachen zu übergeben."
In die Wohnung seien sie gar nicht mehr gelassen worden – unter vielen Vorwänden hätten ihr Sohn und die Schwiegertochter sie abgewimmelt: "Ich muss meinen Haushalt machen, ich habe keine Zeit", habe es geheißen." Nachfragen nach Sarah seien mit "Sie schläft viel" oder "Wir haben sie schon zur Nachtruhe ins Bett gelegt" abgespeist worden.
Die Großeltern hätten vor allem deshalb keinen Verdacht geschöpft und seien "völlig arglos" gewesen, da Dominik "ein völlig gesunder, properer Bub" sei. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut, er sei sehr lebhaft und spiele viel mit den Nachbarskindern. Die Großeltern wollen Dominik dauerhaft bei sich aufnehmen.
Welche Rolle ihr Sohn Patrick gespielt hat, ist dem Ehepaar unverständlich. Der 29-jährige Lkw-Fahrer war im gleichen Unternehmen wie sein Vater beschäftigt. Er sei ein "völlig normaler junger Mann" mit bis dato "überdurchschnittlichen Leistungen" im Beruf. Der Fernfahrer war oft auf Achse, war aber immer an den Wochenenden zu Hause. Die Großeltern hätten regelmäßig Kontakt zu ihrem Sohn gehabt, das letzte halbe Jahr aber nur noch per Handy.
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