Vater tötet seinen Sohn im Auto

27.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:56 Uhr

Augsburg/Friedberg (DK) Weil er seinen schwerbehinderten Sohn auf dessen ausdrücklichen Wunsch getötet hat, muss sich seit Donnerstag ein 77-jähriger Familienvater aus Friedberg-Rederzhausen vor dem Augsburger Landgericht verantworten.

Der Vorfall hat sich im Juli 2013 ereignet. Nach einem Besuch am Grab der Mutter äußert der 50 Jahre alte Sohn wiederholt den Wunsch, zu Sterben. Er leidet seit seiner Geburt an spastischen Lähmungen, damals gingen die Mediziner von einer Lebenserwartung von 35 bis 40 Jahren aus. In den vorangegangenen Monaten hat sich der Zustand des Mannes jedoch akut verschlimmert. Er konnte nicht mehr selbst essen oder seinen Rollstuhl steuern. Die Schmerzen in den Beinen werden immer unerträglicher für ihn und die Medikamente lindern die Qualen immer weniger. „Papa, ich mag nicht mehr leben, bitte hilf mir“, soll er an diesem Tag gesagt haben.

Aus Angst, dass der Sohn erneut versucht, sich mit seinem Rollstuhl eine Treppe hinunterzustürzen und so noch schlimmere Verletzungen und Schmerzen zu erleiden, verabreicht der Vater ihm Schlaf- und Beruhi- gungsmittel. Danach bringt er ihn ins Auto und will sich und den Sohn durch die Auspuffgase umbringen. Eine Nachbarin findet in der Wohnung einen Abschiedsbrief, und rettet dem Vater das Leben, indem sie den Motor ausschaltet. Der Sohn überlebt nicht.

Über diesen Tag zu sprechen, fällt dem 77-Jährigen noch immer schwer. Um selbst möglichst wenig zu der Sache sagen zu müssen, hat er mit seinen Verteidigern eine Erklärung erarbeitet, die verlesen wird. Er weint immer wieder und schluchzt leise in sich hinein. Doch die beiden Richter haben zu Beginn der Hauptverhandlung kein Erbarmen. Beinahe zwei Stunden lang stellen sie Fragen zu Lebenssituation und dem Krankheitsverlauf des Sohnes. Mit dem Fortschritt der Krankheit war er immer verzweifelter, zuletzt musste er dreifach im Rollstuhl gesichert werden. „Für uns hat es nichts anderes gegeben, als ihm ein möglichst normales Leben zu Hause zu ermöglichen“, erklärt der Vater. Immer hat der Sohn bei seinen Eltern gewohnt, die auch die Pflege übernommen haben. Der Sohn äußerte immer wieder den Wunsch, zu sterben. Aber sein Vater versuchte ihn zu beruhigen und schlägt ihm den Wunsch aus. Bis auf diesen Tag im Juli 2013.

Eine spontane Entscheidung sei es gewesen und nicht von langer Hand geplant, beteuert der Angeklagte. Auf Nachfrage des Staatsanwalts beteuert er, dass er sich nie darüber erkundigt habe, welche Möglichkeiten der Sterbehilfe es zum Beispiel in anderen Ländern gebe. „Als gläubiger Christ und treusorgender Familienvater trägt er schwer an der Last, die er auf sich geladen hat“, erklärt der Verteidiger.

Damit zielt der Anwalt vermutlich auf Straffreiheit für seinen Mandanten ab. Diese Möglichkeiten gibt es in der Justiz. Allerdings nur, wenn die Richter den Mann zu einer Strafe von maximal einem Jahr verurteilen. Vorgesehen ist für das Vergehen Tötung auf Verlangen eine Haftstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren. Ob und wie der Vater für seine Tat zu bestrafen ist, wird das Augsburger Landgericht in den kommenden vier Verhandlungstagen klären. Die Fortsetzung findet am Montag statt.