Unvermeidliche Wende

Kommentar

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Bei Pizza und Bier haben die führenden Sozialdemokraten sich also zu nächtlicher Stunde im Willy-Brandt-Haus dazu durchgerungen, Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen wieder von dem Baum klettern, auf den Martin Schulz seine Partei getrieben hat.

Kaum flimmerten am 24. September erste Wahlprognosen über die Bildschirme, schwor er sie auf Opposition ein. Die richtige Entscheidung - in diesem Moment. Die Zeichen standen auf Jamaika, und die SPD hatte gerade ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte eingefahren. Die Maloche der Genossen in der schwarz-roten Koalition wurde an der Wahlurne nicht honoriert. Der Frust war grenzenlos. Zeit für eine ordentliche Auszeit in der Opposition.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen unterlag Schulz dem Irrtum, er könne diese Position halten. Er könne von Verantwortung schwadronieren, selbst Gespräche mit der Union aber ablehnen. Statt die unvermeidliche Kehrtwende einzuleiten, ließ er sich trotzig vom Vorstand die Ausschließeritis bestätigen. Doch er konnte dem Druck durch Bundespräsident und Öffentlichkeit nicht standhalten. Und nicht zuletzt dem aus der eigenen Partei. Dass Frank-Walter Steinmeier nicht lockerlässt, nachdem sich die SPD besonnen hat, ist ihm hoch anzurechnen. Für nächste Woche hat er Schulz sowie die Unions-Chefs Merkel und Seehofer zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen.

Es ist ein Segen, dass ausgerechnet jetzt ein Diplomat im Schloss Bellevue residiert, der die maßgeblichen Akteure sehr gut kennt. Am Ende der Sondierungs- und Verhandlungsphase sollte eine Koalition stehen, kein Tolerierungsexperiment. Abenteuerlich sind Vorschläge, die Grünen noch mit ins Boot zu holen. Die haben nicht den geringsten Grund, sich darauf einzulassen.

Nein, die SPD steht nun in der Pflicht. Sie sollte ihre Weinerlichkeit ablegen und selbstbewusst in die kommenden Gespräche gehen. Sie hat die große Chance und es in der eigenen Hand, das sozialdemokratischste Programm durchzusetzen, welches je eine große Koalition hatte.