Neuburg
"Unverantwortlich und nicht beherrschbar"

Bund Naturschutz fordert das Aus für die restlichen acht Kernkraftwerke

31.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:01 Uhr

Katastrophale Jubiläen: Der Bund Naturschutz erinnert mit seiner Plakataktion an die Super-GAUs von Tschernobyl und Fukushima und fordert das Abschalten der restlichen acht Atommeiler in Deutschland. - Foto: Frank

Neuburg (DK) Im April 1986, vor nunmehr 30 Jahren, explodierte ein Reaktor im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl. Vor fünf Jahren kam es in drei Reaktoren im japanischen Fukushima zur Kernschmelze. Der Bund Naturschutz fordert angesichts dieser "Jubiläen" den kompletten Atomausstieg.

Das Anliegen des Bundes Naturschutz (BN) ist alt und hat schon etwas Patina, besteht aber nach wie vor. 30 Jahre nach Tschernobyl und fünf Jahre nach Fukushima erhebt der BN seine Forderung erneut und durchaus plakativ. Kreisvorsitzender Günter Krell und sein Mitarbeiter Christoph Lenhart vom Bundesfreiwilligendienst versahen gestern Nachmittag ein Großplakat an der Augsburger Straße mit den Insignien der Naturschützer. Hier, an einer von Neuburgs Hauptverkehrsstraßen, soll an die Katastrophen in der Ukraine und Fernost erinnert werden. "Das darf doch nicht wahr sein. Fünf Jahre nach Fukushima und 30 Jahre nach Tschernobyl sind in Deutschland immer noch acht Atomkraftwerke in Betrieb. Mehr Tempo beim Atomausstieg!", steht darauf zu lesen. Ein weiteres Großplakat gleichen Inhalts hat der BN an der Straße zwischen Schrobenhausen und Mühlried anbringen lassen. "Wir wollen die Leute direkt darauf aufmerksam machen", erklärt Kreisvorsitzender Krell. Eventuell wird es am 26. April, dem Tschernobyltag, noch eine Mahnwache geben. Doch ums Erinnern allein geht es nicht. In die Zukunft gerichtet, fordern die Naturschützer den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie. Noch sind in Deutschland acht Meiler in Betrieb. In ihnen soll der Schalter auf Aus gestellt werden. "Mit sofort meine ich, ohne schuldhaftes Verzögern", erklärt Krell. "Die Nutzung von Kernenergie ist unverantwortlich und nicht beherrschbar", lautet das Credo des BN-Chefs.

Das Tschernobyl-Jubiläum steht bevor. Vor drei Jahrzehnten flog dort während eines Testlaufes der Reaktor 4 in Fetzen. Das Höllenfeuer entwickelte nach BN-Informationen eine Strahlung, etwa 200 Mal so stark wie die Bomben von Hiroshima und Nagasaki zusammen. Etwa 400 000 Menschen mussten damals ihre Heimat für alle Zeit verlassen, 8,3 Millionen Menschen lebten plötzlich in kontaminierten Gebieten. Zwischen 600 000 und 860 000 Männer und Frauen aus der damaligen Sowjetunion wurden als sogenannte Liquidatoren zum Katastrophendienst in die Todeszone um den Reaktor abkommandiert. Viele von ihnen starben an den Folgen der enormen Strahlenbelastung. Das Cäsium 137, das damals von Ostwinden bis nach Bayern verfrachtet wurde, ist bei einer Halbwertszeit von 30 Jahren heute noch messbar und macht so manches Wildbret ungenießbar.

"Wir wollen Tschernobyl und Fukushima in Erinnerung halten und der Opfer gedenken", erklärt Krell, der durchaus auch bei uns Risiken sieht: "Luftlinie sind es 60 Kilometer bis zum Kernkraftwerk Gundremmingen und etwa 60 Kilometer bis zum AKW Isar bei Landshut. Egal, ob Ost- oder Westwind, uns würde es in beiden Fällen treffen." Und ein so großes und dicht besiedeltes Gebiet zu evakuieren, ein solches Vorhaben erscheint dem Kreisvorsitzenden vollkommen aussichtslos. "Ich weiß nicht, ob es dafür überhaupt Pläne gibt", sagt er.

Die Jahrestage sind für den Bund Naturschutz auch Anlass, weiter zu denken. "Jeder soll Strom sparen. Die Regierungen sind gefragt, die erneuerbaren Energien zu fördern. Die Windkraftnutzung ist in Bayern zum Erliegen gekommen. Wir brauchen aber die Windkraft zur Energiewende. Effizienzstrategien müssen gefördert werden und auch in der Mobilität ist noch Energie einzusparen. Und zum Umweltschutz gehört auch der endgültige Ausstieg aus der Braunkohlenutzung", nennt Krell nur einige Punkte aus dem Forderungspaket, das der Bund Naturschutz geschnürt hat.