Berlin
Unsterbliche Tanzschritte

Gene Kelly beeinflusst mit seinem Stil noch immer die Auftritte von Popstars – Heute wäre er 100 Jahre alt geworden

22.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:08 Uhr

Tanz im amerikanischen Stil: Gene Kelly mit Shirley MacLaine bei den Dreharbeiten zu dem Film „What A Way To Go“ („Immer mit einem anderen“) von J. Lee Thompson aus dem Jahr 1964. - Foto: dapd

Berlin (dapd) Gene Kelly tanzte mit Leinwandgöttinnen und selbst an der Seite einer Comic-Maus – unvergessen ist aber sein Auftritt mit einem Regenschirm. Wurde Fred Astaire mit Zylinder und Frack zum Sinnbild entrückter Eleganz, war Kelly der Musical- und Hollywoodstar von nebenan – bodenständig, charmant und mitreißend. „Wenn Fred Astaire der Cary Grant des Tanzes ist, bin ich der Marlon Brando“, hat Kelly einst gesagt. Heute jährt sich der 100. Geburtstag des US-Schauspielers. In diesem Jahr hat auch sein größter Erfolg „Singin’ In The Rain“ („Du sollst mein Glücksstern sein“) mit der legendären Regenschirm-Tanzszene ein Jubiläum. Vor 60 Jahren hatte der Film Premiere.

Die Zeit der großen Hollywood-Musicals ist lange vorbei, aus der Mode ist Kelly aber nie gekommen. Er habe in der Vergangenheit unverfroren mehr als einen Tanzschritt von ihm geklaut, gab Popsänger Justin Timberlake im Mai zu, als die Oscar-Filmakademie an gleich zwei Abenden Kellys 100. Geburtstags gedachte. Ein schlechtes Gewissen hatte Timberlake beim Abkupfern nicht: „Das habe ich mit Typen wie Michael Jackson gemein.“ Wie Kelly hatte später auch der „King Of Pop“ mit weißen Socken die Aufmerksamkeit des Publikums auf seine Füße gelenkt.

Einen Oscar hat Kelly nie gewonnen. 1952 wurde er wenigstens von der Akademie für seine Verdienste um die Choreografie im Film mit einem Sonderpreis geehrt. Im selben Jahr gewann sein von Vincente Minelli inszeniertes Musical „Ein Amerikaner in Paris“ sechs Academy Awards. Im Jahr darauf blieb der 1952 in den USA angelaufene Film „Singin’ In The Rain“ zwar ohne Oscar, hat unter Kinohistorikern aber längst den Vorgänger überflügelt. In der renommierten Kritikerbefragung des britischen Magazins „Sight And Sound“ wurde „Singin’ In The Rain“ jüngst auf Platz 20 der Liste mit den besten Filmen aller Zeiten gekürt – vor „Der Pate“, „Rashomon“ oder „Taxi Driver“. „Vielleicht das beste unter den Filmmusicals“, lautete das Urteil. Fans hatten vor einiger Zeit ein Déjà-vu-Erlebnis, als der französische Stummfilm „The Artist“ seinen Siegeszug antrat: Wie in Kellys Musical ging es um einen Star der Stummfilmära, ein aufstrebendes Starlet und den Durchbruch des Tonfilms. Kein Wunder also, dass sich Hauptdarsteller Jean Dujardin für seine mit einem Oscar gekrönte Rolle stark von Kelly inspirieren ließ.

„Ich wollte niemals ein Tänzer werden“, sagte Kelly 1985, als er vom Amerikanischen Filminstitut für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Seine Mutter, eine Schauspielerin, habe ihn nur „schreiend und um sich tretend“ zu Tanzstunden schleifen können. Später leckte der begabte Athlet Blut, musste aber erst seine Nische finden. „Ich konnte mir nicht vorstellen, jeden Abend ,Schwanensee’ zu tanzen und ich wollte einen wahrlich amerikanischen Stil entwickeln“, sagte Kelly der „New York Times“. „Es war nicht elegant, aber es war ich.“

Nach ersten Erfolgen am Broadway holte 1941 der legendäre Produzent David O. Selznick („Vom Winde verweht“) Kelly nach Hollywood. Nach seinem Debüt an der Seite von Judy Garland spielte er mit Rita Hayworth, seinem Freund Fred Astaire und war nach einem kurzen Militärdienst dank „Urlaub in Hollywood“ mit Frank Sinatra 1946 das einzige Mal für einen Oscar nominiert. Revolutionär für damalige Zeiten war eine Tanzsequenz Kellys mit der Comic-Maus Jerry („Tom und Jerry“).

Der Musicalstar war bis Ende der 1960er Jahre auch ohne Tanz gut im Geschäft: Er spielte mit Marilyn Monroe („Machen wir’s in Liebe“), wagte sich an ernste Rollen wie im Gerichtsdrama „Wer den Wind sät“ mit Spencer Tracy und führte Regie (unter anderem „Hello, Dolly!“ mit Barbra Streisand). Gegen Ende seiner Karriere war Kelly öfter im Fernsehen zu sehen, etwa als Senator im Mehrteiler „Fackeln im Sturm“.

Am 2. Februar 1996 starb der dreifache Vater und dreimal verheiratete Schauspieler im Alter von 83 Jahren. Er hatte sich nie von mehreren Schlaganfällen erholt. „Er hat mir beigebracht, wie man tanzt und hart arbeitet, mit Leib und Seele bei der Sache ist und dabei liebevoll bleibt“, würdigte Debbie Reynolds ihren „Singin’ In The Rain“-Partner.