Neuburg
"Unfassbar" in die Kreuzung gerast

10.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:25 Uhr

Entzweigerissen hat die Wucht des Aufpralls den Mercedes und das Heckteil in einen Acker geschleudert. Den Unfallverursacher verurteilte jetzt der Jugendrichter zu eineinhalb Jahren Führerscheinentzug. - Foto: r

Neuburg (r) Der Gutachter hat mehrmals nachgerechnet, die Geschwindigkeit war für ihn unfassbar: Mit über 170 km/h raste ein 20-jähriger Neuburger spätnachts mit seinem Auto über die B 16. Auf der Zeller Kreuzung rammte er einen anderen Wagen und zerlegte ihn regelrecht.

Dessen 37-jähriger Fahrer überlebte die Kollision nur mit Riesenglück. Das Opfer wird lange an den Unfallfolgen zu leiden haben. Gestern verurteilte der Neuburger Jugendrichter den Verursacher zu 1200 Euro Geldauflage und zu einem Jahr sechs Monaten Führerscheinentzug.

Der Kfz-Sachverständige sezierte den spektakulären Unfall vom April dieses Jahres bis ins letzte Detail. Vor Gericht wiederholte er das Ergebnis der Kollisionanalyse: Demnach war der junge Neuburger mit 172 bis 184 km/h von Ingolstadt Richtung Neuburg gerast – mit einer 16-jährigen Freundin auf dem Beifahrersitz. Bei dem Tempo (70 km/h waren erlaubt) "rauscht alles an einem vorbei".

Ob er bei Rot in die Zeller Kreuzung gerauscht war, ließ sich vor Gericht nicht klären. In der Kreuzungsmitte traf der Ford jedenfalls den Mercedes eines 37-Jährigen aus Karlshuld. Der Aufprall erfolgte zum Glück gegen die Hinterachse des Mercedes. Das Auto riss danach zwar entzwei, doch einen mittigen Anstoß hätte der Karlshulder nach Einschätzung des Gutachters "niemals überlebt".

Der 20-Jährige bremste und versuchte auszuweichen. Beinahe hätte er es auch geschafft. "Es ging um Sekundenbruchteile", so der Sachverständige. Während die beiden jungen Leute im Ford mit leichten Verletzungen davonkamen, fiel der Mercedesfahrer ins Koma und überlebte schwer verletzt.

Die Neuburger Polizei vermutete, dass der Zusammenstoß in Folge eines Autorennens zweier Raser entstanden sein könnte. Es gab Anhaltspunkte dafür, aber keine Beweise. Vor Gericht spielte dieser Punkt gestern keine Rolle. Der angeklagte 20-jährige Neuburger machte keine Angaben und sagte lediglich im Schlusswort, dass ihm die ganze Sache leid tue.

Staatsanwalt Roland Kempfle hielt den jungen Angeklagten in allen Punkten für schuldig und verwies auf das Tempo von mindestens 172 km/h: "Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen." Das Opfer aus Karlshuld habe nur durch Zufall überlebt. "Wenn der Angeklagte nur annähernd so gefahren wäre wie vorgeschrieben, dann wäre der schreckliche Unfall nicht passiert", so der Anklagevertreter. Er verlangte 1200 Euro Auflage und 18 Monate Führerscheinentzug wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung.

Kopfschütteln lösten die Ausführungen von Verteidiger Peter Hugger aus. Er verlangte Freispruch und stellte allen Ernstes fest: "Ein rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten liegt hier nicht vor." Dessen hohes Tempo sei "nicht kausal" für den Unfall gewesen. Der Mercedesfahrer sei mitverantwortlich, weil er bei Rot über die Ampel gefahren sei.

Richter Gerhard Reicherl wies diese Feststellung in der Urteilsbegründung zurück: "Dass der Mercedesfahrer Rot missachtet hat, steht nicht einmal ansatzweise fest." Der Richter entsprach voll dem Antrag des Staatsanwaltes. Das rücksichtslose Verhalten des Angeklagten stehe sehr eindeutig fest. Er sei bewusst so riskant gefahren: "Bei so einer Fahrweise ist es vorhersehbar, dass etwas passiert."