Ingolstadt
Unermüdlich und unentgeltlich

13.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:16 Uhr

Tänzerisches Spannungsfeld: Julia Mayr (l.) und Yashmine Maçaira führen im Kleinen Haus "Donna Elsa" auf. Zu Bildern von Anna Schölß und Musik von Agnes Krumwiede. - Foto: Chris Neuburger

Ingolstadt (ksd) Diesmal spielen mit: drei Charlie Chaplins, ein behinderter japanischer Junge, Georges Moustaki, großformatige Malerei, Agnes Krumwiede, zwei Paar nackte Füße und ein gelbes Auto.

Das ganze in vier Tanzstücken und zur zehnten Auflage der Dance Short Cuts im Kleinen Haus. Ja, man hat sich bemüht, viel auf die Beine zu stellen, ein buntes Programm zu machen, ambitionierten Tanz und leichtfüßiges Nonsens-Theater zu mischen.

Indes: Am Ende, nach dem wie immer tosenden Applaus im wie immer vollen Saal, ergreift Short-Cuts-Mitgründerin, die Tänzerin Yashmine Maçaira das Wort: Bittet um Unterstützung, erzählt von der Anstrengung, budgetlos immer wieder neue frische Abende mit immer neuen (kostenlos auftretenden) Gasttänzern zu gestalten. Und vielleicht, auf eine sehr diffuse, unbenennbare Weise, ist tatsächlich ein wenig von Erschöpfung spürbar in dieser Jubiläumsproduktion. Ein Wunder wäre es nicht, bei allem, was das so engagierte Short-Cuts-Team aus reiner Leidenschaft bisher für das hiesige Kulturleben leistete.

Aber doch – der Abend, wiewohl in manchen Szenen nicht ganz ausgeprobt erscheinend, ist gut, und mit sehr überraschenden Highlights bestückt. Das schönste: Das Tanzstück "Donna Elsa", das Maçaira und – Kleines-Haus-Regisseurin Julia Mayr zu Bildern von Anna Schölß und Klaviermusik der Bundestagsabgeordneten Agnes Krumwiede tanzen.

Nein, Mayr ist weder professionelle Tänzerin noch Schauspielerin, aber sie macht ihre Sache tänzerisch atemberaubend gut. Und gerade, weil es in Maçairas sehr weiblicher Choreografie um zwei Seelen in einer Brust geht, um die kühle und beherrschte einerseits und die lebendige und expressive andererseits, entsteht zwischen den beiden Tänzerinnen, der exakten Professionellen und der ausdrucksstarken Amateurin, ein bebendes Spannungsfeld, das die Bravorufe mehr als rechtfertigt. Ein echtes Experiment, und als solches weitaus authentischer als die muntere tanztheatrale Collage von Tänzerin Maria Tietze und Theaterensemblemitgliedern, die mit vielen Accessoires burleske Chaplin-Szenen, blinde Blumenverkäuferinnen, Flamenco und mehr vermixen.

Dazwischen ein weiterer kleiner Höhepunkt: Ayumi und Alistair Noblet, Tänzer des Theaters Regensburg, und ihre Interpretation des Moustaki- Chansons "Déclaration". Wie sie, die den Abend mit der getanzten Kommunikation eines Mädchens und seines behinderten Bruder einläuteten, die gesungene Forderung nach einem "Staat dauerhaften Glücks" umsetzen, nämlich jeder für sich, ohne Kontakt und Gleichmaß, und doch in einer sich zum Ganzen erschließenden Choreografie, ist sehenswert genug. Solche Abende nicht mehr erleben zu können, wie es zuletzt im Subtext von Maçairas Bitte im Raum steht: Das wäre mehr als schade.