Kipfenberg
Umtriebe im Herzen Bayerns

Geografischer Mittelpunkt im Freistaat: Kipfenberg feiert erste urkundliche Erwähnung vor 750 Jahren

13.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:49 Uhr

Die Kipfenberger Burg ist weithin sichtbar. Die kleine Marktgemeinde gilt als der geografische Mittelpunkt Bayerns (unten). - Fotos: Richter

Kipfenberg (DK) Der Zauber dieses idyllischen Orts springt auf den Fremden sofort über. Geduckt unter schroffen Felsen des Altmühltals im Schatten der alten Burg gelegen, dazu die Menschen in dieser Marktgemeinde mit ihrer herzlichen Art - Kipfenberg präsentiert sich als kleines, aber feines Juwel im Kreis Eichstätt. Fremde kommen und gehen, manche bleiben hängen, der Liebe wegen, beruflich bedingt oder weil ihnen dieser Fleck auf Gottes Erden gut gefällt. Der Charme der Ortschaft nimmt sie rasch ein, selbst wenn sie erst kurz hier leben, wie Pfarrer Peter Mairhofer, im Oktober 2011 offiziell installiert. "Mir sind die Leute richtig ans Herz gewachsen, ich möchte gar nicht mehr weg", sagt der Seelsorger. "Ich fühle mich hier wirklich sehr wohl."

Kipfenberg, der geografische Mittelpunkt Bayerns, blickt auf eine lange Historie zurück. Die Bewohner feiern heuer die erste urkundliche Erwähnung des Marktes vor 750 Jahren. Sie tun es ausgiebig den Sommer über, wie an diesem Wochenende mit einem Handwerkermarkt samt Theaterstück, und planen Feste bis in den Winter hinein.

Die Geschichte reicht freilich viel weiter zurück als nur bis ins Jahr 1266, als der Ritter "Rudegus de Kipphenberc" als Zeuge einer Beurkundung erstmals den Burg- und Ortsnamen der Marktgemeinde erwähnte. Zu Urzeiten bereits ließen die Menschen sich in der Gegend des heutigen Kipfenberg nieder, der älteste Nachweis für eine Besiedelung ist rund 100 000 Jahre alt. Alemannen gefiel es nahe dem Michelsberg ebenso wie Bajuwaren, Kelten, Slawen oder Ungarn. Und den Römern natürlich. Ihr Limes und das einst im nahen Böhming stehende Kastell sind heute noch allgegenwärtig - nicht mehr materiell, aber überall in kleinen Spuren, im Museum, in den Köpfen der Menschen oder den Namen von Gastbetrieben. Die Linie des einstigen Grenzwalls teilt den jetzigen Ortskern.

Der Kipfenberger kennt indes keine Barrieren, etwa wenn es um zwischenmenschliche Belange geht, glaubt man denen, die dort leben. "Er ist so vielseitig wie die zahlreichen Volksgruppen, die einst hier gelebt haben", findet etwa Theresia Christ, ehemals Lehrerin und Konrektorin an der Schule im Markt. 1970 war sie hierher gezogen, sie stammt aus dem nahen Stadelhofen bei Titting. Die 76-Jährige fühlt sich voll integriert. "Die Menschen sind offen und gesprächsbereit, tolerant und sehr interessiert. Und vielen sitzt der Schalk im Nacken." Sie mag diese humorvolle Art, immer bereit für einen kleinen Spaß.

Theresia Christ kennt als Orts- und Kirchenführerin die Geschichte des Marktes in- und auswendig. Wer mit ihr unterwegs ist, muss genug Zeit mitbringen und wird mit zahlreichen interessanten Details belohnt. Sie schlägt einen Bogen von der erdgeschichtlichen Urzeit bis ins heutige Kipfenberg, erzählt von den Römern ebenso wie von der Herrschaft des Rittergeschlechts Kropf, dem 1277 die Burg gehörte, bevor ab 1301 das Hochstift Eichstätt das Gemäuer kaufte und die fürstbischöfliche Herrschaft begann.

Die ehemalige Lehrerin kennt natürlich auch die Sage von den Geißhenkern, als welche die Bürger in der Marktgemeinde verspottet werden. Einer von ihnen hatte einst eine Ziege auf die Stadtmauer hieven wollen, um sie dort grasen zu lassen, das arme Tier aber bei der Aktion stranguliert. Eine bronzene Geiß erinnert an diese Begebenheit, sei sie nun wahr oder nicht.

Das Handwerk hatte das Leben im Markt über Jahrhunderte bestimmt. Doch die Zeiten ändern sich: "Heute leben viele Menschen hier, die bei Audi in Ingolstadt arbeiten", sagt Theresa Christ. Auf Kipfenberger Flur gibt es freilich ebenfalls genug Beschäftigung. "Wenn es um Arbeitsplätze geht, sind wir gut aufgestellt", sagt Christian Wagner, Bürgermeister der rund 5850 Köpfe zählenden Gemeinde, mit Stolz. "Die Rhön-Klinik hat rund 550 Beschäftigte, und in der Glashütte sind 220 Leute angestellt." Der 40-Jährige liebt seinen Heimatort, "ich will nirgendwo anders leben".

Diesen Satz hört der Fremde oft, wenn er auf dem Marktplatz mit Bewohnern ins Gespräch kommt. "Viele junge Leute wollen bleiben, der Bedarf an Bauland ist hoch", sagt Wagner. Er schätzt die Natur rund um den Marktkern, besonders den Altmühlpanoramaweg Richtung Schloss Arnsberg. "Da oben kannst du die Seele baumeln lassen." Der Bürgermeister tut es gern und oft, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin.

Sprachlich vermengen sich in Kipfenberg die Dialekte Oberbayerns, Schwabens und der Oberpfalz, wie es sich gehört für das Zentrum Bayerns. Das Klima gibt sich mild, "besser als bei uns in Tirol", meint Claudia Platzer. Die Innsbruckerin lebt seit Jahren im Altmühltal und betreibt am Marktplatz ein Gasthaus nach Tiroler Art. Wenn die Wirtin nachmittags mal Zeit findet, vor dem Haus zu sitzen, fühlt sie sich wie in Italien. "Da meinst du gerade, hinter den Häusern liegt der Gardasee." Friedhelm Krüger ist 1996 aus dem Neuburger Land zugezogen und noch immer fasziniert. "Ich lebe da, wo andere Leute Ferien machen!" Anna Kammerbauer stammt aus dem Ortsteil Böhming, ihr "geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich nach dem Urlaub heimfahre und die Burg wiedersehe".

Alle haben sie diese Woche angepackt, um "ihren" Jubiläumsmarkt auf den Weg zu bringen. "Es ist schon erstaunlich, was die Menschen im Ort auf die Beine stellen. So großes ehrenamtliches Engagement habe ich noch nirgends erlebt. Da muss ich meinen Hut ziehen", sagt der Pfarrer. Theresia Christ hatte ein gutes Jahr lang in Literatur und Archiven gestöbert und ein Theaterstück in vier Akten geschrieben, nach weitgehend authentischen Begebenheiten. Es geht darin um Brandstifter, einen Hausdrachen und Spitzbuben. Hier kommt der Pfarrer wieder ins Spiel: Peter Mairhofer mag in Sachen Engagement nicht hintanstehen und spielt ebenfalls mit - nicht den Seelsorger, obwohl es eine solche Rolle tatsächlich gibt, sondern einen Nachtwächter, der ein unverheiratetes Liebespaar im Käserstadel überrascht. Man darf gespannt sein, wie die Sache für die Sünder ausgeht.