Umstrittenes Urteil aus Karlsruhe

Trotz möglichen Behördenversagens: Urlauber sind für die Gültigkeit der Reisedokumente verantwortlich

16.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:07 Uhr

Karlsruhe/Nürnberg (DK) Eine Familie aus der Nähe von Nürnberg bekommt die Kosten für einen nicht angetretenen Urlaub vom Reisebüro nicht erstattet. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die Familie konnte nicht in die USA reisen, weil die Reisepässe versehentlich als gestohlen gemeldet waren.

Es ist ein kurioser Fall, der die Reisebranche in Aufregung versetzt. Ein Ehepaar aus der Nähe von Nürnberg wollte mit der Tochter in die USA fliegen, um dort eine Rundreise zu unternehmen. Am Flughafen in Frankfurt war allerdings Endstation. Die dreiköpfige Familie wurde nicht an Bord gelassen. Der Grund: Die nagelneuen Reisepässe von Frau und Tochter seien als gestohlen gemeldet, teilte man der verdutzten Familie mit. Die verstand die Welt nicht mehr. Wie können Pässe gestohlen sein, wenn man sie gleichzeitig in den eigenen Händen hält? Besonders für die 15-jährige Tochter soll eine Welt zusammengebrochen sein, als sich der Traumurlaub in einen Horrortrip verwandelte.

Nach mehreren Stunden, der Flieger war schon abgehoben, die Pauschalreise längst in den Wind geschrieben, habe sich die Sache aufgeklärt, berichtet Thomas Pompe, der Altdorfer Anwalt der Familie. „Demnach hat es entweder die Gemeinde versäumt, der Bundesdruckerei den Eingang der zwei neuen Reisedokumente zu bestätigen, oder die Bundesdruckerei hat eine Eingangsbestätigung nicht erfasst“, erklärt Pompe. Mit dem fatalen Ergebnis, dass die Familie auch aufgrund der strengen amerikanischen Einreisebestimmungen nicht an Bord der Maschine gelassen wurde. Der Ärger über die geplatzte Urlaubsreise sei inzwischen zwar verflogen, berichtet Pompe gegenüber unserer Zeitung. Allerdings wolle die Familie nach wie vor das Geld für die Reise zurück. Mit diesem Wunsch sei man in den ersten beiden Instanzen vor dem Amtsgericht sowie dem Landesgericht Nürnberg gescheitert. Verklagt habe die Familie den Reiseveranstalter. Der müsse laut geltender Rechtsprechung die Reisekosten zurückerstatten, wenn eine geplante Reise aufgrund höherer Gewalt nicht unternommen werden kann.

Die Gretchenfrage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) lautete nun, ob es sich bei dem vermeintlichen Behördenversagen um einen Fall von höherer Gewalt handelte. Die Kommune weist jede Schuld von sich. Und das wohl nicht von ungefähr. Denn im Falle einer Verurteilung des Reiseveranstalters dürfte dieser wohl wiederum darauf erpicht sein, sich das Geld für die Reiserückerstattung von der Kommune oder der Bundesdruckerei zurückzuholen.

Mit noch größerer Aufmerksamkeit dürfte freilich die Reisebranche den gestrigen Richterspruch verfolgt haben. 4150 Euro hat die Reise ursprünglich gekostet. Unmittelbar vor Antritt sind die Stornogebühren so hoch, dass der Veranstalter nur gut 1000 Euro erstattete. Der BGH entschied nun, dass die Familie aus Altdorf die offenen Kosten von gut 3000 Euro vom Reisebüro nicht erstattet bekommt. In der Urteilsbegründung heißt es, ein Fall von höherer Gewalt liege nicht vor, weil die Reisenden für das Mitführen geeigneter Reisedokumente selbst verantwortlich seien. Entscheidend sei demnach nicht, aus welchen Gründen die Ausweispapiere der Reisenden als nicht ausreichend angesehen würden. Die „Risikosphäre“ für das Mitführen geeigneter Pässe liege bei den Reisenden und nicht beim Veranstalter, wie die Karlsruher Richter klarstellten.

Familienanwalt Pompe kündigt gestern prompt an, dass die Familie nun versuchen werde, sich die fraglichen 3000 Euro von der Kommune zurückerstatten zu lassen. Diese weist jede Schuld weiterhin von sich: „Ein Fehlverhalten seitens der Stadt Altdorf ist nicht gegeben“, betont Bürgermeister Erich Odörfer (CSU) am Tag der Entscheidung auf Anfrage unserer Zeitung. Die Diebstahlanzeige sei von der Bundesdruckerei in Berlin „ohne Wissen und Rücksprache“ mit der Stadt Altdorf erfolgt.