Umsatz- und finanzstärkster Wettbewerber wird begünstigt

25.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Zum Bericht „Leader legt los“ (PK vom 19. November):

Bei so manchem Häuslebauer kann man Solaranlagen auf dem Dach bewundern, bei anderen heizt es umweltfreundlich im Keller und der eine oder andere Zeitungsleser wird sich in der letzten Krise durch Kauf eines Neuwagens aktiv an der Stützung der deutschen Automobilindustrie beteiligt haben. Leider besteht immer wieder Anlass zu der Vermutung, dass nicht ehrenwerte und rein ideelle Gründe, sondern insbesondere die Tatsache, dass die entsprechenden Maßnahmen von Seiten des Staates durch entsprechende Fördergelder bezuschusst werden, als wahrer Auslöser hinter dem plötzlich einsetzenden Aktionismus stehen.

Auch Politiker sind nur Menschen und lassen sich gerne durch ausgelobte Millionen motivieren. Besonders kreativ geht man zur Sache, wenn Zuteilungen aus Geldtöpfen die Umlenkung von Zahlungsströmen in den eigenen Wahlkreis ermöglichen.

„Leader“ klingt ja schließlich auch besser als „Loser“ und gegen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft kann ja nun auch wirklich kein Wähler mehr was haben. Da also keine offensichtlichen Gefahren drohen, steht demokratisch legitimiertem Aktionismus durch Einberufen von Arbeitsgruppen nichts mehr im Weg.

Beim Betrachten des Ergebnisses kommen dann aber doch wieder Zweifel am Verstand des einen oder anderen Leader-Lenkers (oder sollte es Lenkungs-Leaders heißen) auf.

Unter Punkt 3 der von den Leader-Lenkern favorisierten (Stichwort: „EU Fördergelder abschöpfen“) Maßnahmen erfährt der Leser der Heimatzeitung, dass unter anderem die Errichtung einer Schaubäckerei gefördert werden soll. Feine Sache. Oder etwa doch nicht?

In Pfaffenhofen fallen dem Verfasser dieser Zeilen drei Bäckereien ein, in denen noch einigermaßen das passiert, was wir uns in unserer kindlich naiven Verbraucherwelt vorstellen und wünschen.

In der vierten sieht's bereits ganz anders aus. Bei dreien also wird im Wesentlichen hinten in der Backstube gewerkelt und gebacken – und vorne verkauft. Alle drei sind kleine Betriebe, wie es sie bis vor gar nicht allzu langer Zeit in jedem Ort noch wie selbstverständlich gab und wie sie für die ländliche Region typisch waren. Irgendwann gegen Ende des vorigen Jahrhunderts kamen die ersten Filialen von Großbäckereien auf und wieder ein paar Jahre später waren wir dann überrascht, als wir feststellten, dass die kleinen Bäckereien plötzlich verschwunden waren. Das alles passierte aber nur in größeren Städten und in der lebenswertesten von allen blieb die Welt bis auf Weiteres in Ordnung.

Das ist sie aber schon lange nicht mehr, denn wenn wir uns die noch verbliebenen ortsansässigen Bäckereien anschauen, können wir leicht feststellen, dass das, was wir mit dem Euphemismus „Strukturwandel“ so liebevoll umschreiben, auch vor unserem Hopfenidyll keinen Halt macht.

Von den drei Bäckereien, die mir also einfallen, haben zwei mehrere Filialen. Nur ein einziger Betrieb beschränkt sich meines Wissens noch darauf, seine Erzeugnisse ausschließlich am Ort der Herstellung in Verkehr zu bringen. Das ist nicht weiter schlimm, zeigt aber, dass auch bei den Bäckern der Weg hin zu Wachstum und damit letztlich zur Verdrängung von Mitwettbewerbern geht.

Nun zur vierten Bäckerei, über deren „Ortsansässigkeit“ man durchaus geteilter Meinung sein kann. Hier fällt auf, dass die Filialen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen. Allein in Pfaffenhofen sind es mittlerweile sieben Stück, dazu kommen weitere über die Landkreise Freising und Pfaffenhofen verteilt. Damit auch wirklich jeder in den Genuss der Ware kommt, fahren außerdem Verkaufsfahrzeuge übers Land. Das ist jetzt um Himmels Willen nichts Unanständiges und sagt auch nichts über die Qualität der Backwaren aus, zeigt aber, wo die Wachstumsreise hingeht und wo die natürlichen Grenzen eines traditionell geführten handwerklichen Kleinbetriebes – einer insbesondere für die ländliche Region einstmals nicht unüblichen Betriebsform – liegen. Die drei verbliebenen (und weitestgehend auf den Ort beschränkten) Konkurrenten werden sich im Verdrängungswettbewerb dem Druck des vierten vermutlich langfristig nur schwer erwehren können. Also weg von der Backstube und hin zur Produktionsstraße.

Jetzt kommen unsere stets um Ausgleich, Wählergunst und Geldsegen bemühten Fördergeldaktivisten auch noch auf die glorreiche Idee, dass man die Ausstattung des sowieso schon geplanten Neubaus einer backindustriellen Produktionsstätte („Backstube“ ist bei 18 000 Quadratmetern Betriebsgelände nun wirklich nicht mehr angebracht) mit einer Schaubäckerei mit EU-Mitteln subventionieren könnte. Wir ziehen also noch ein oder mehrere Glasfenster ein und gelangen damit nicht nur in den Genuss weiterer Kunden, sondern auch an Gelder, die es sonst möglicherweise nicht oder nur zu schlechteren Konditionen gegeben hätte.

Weil die Aussichten nicht gerade ungünstig stehen, dass der eine oder andere der heute noch existierenden Mitbäcker über kurz oder lange dem Druck eines derart übermächtigen Konkurrenten nicht standhalten kann und in Bedrängnis gerät, könnte man das schon fast wieder als Investitionsschutz bezeichnen, obwohl darauf bei der Vergabe von Steuergeldern erfahrungsgemäß kein allzu großer Wert gelegt wird.

Wenn man sich aber Gedanken darüber macht, ob die Fördergelder dem vorgesehenen Zweck auch tatsächlich zugute kommen, sind doch erhebliche Zweifel angebracht.

Falls Sie Politiker und somit möglicherweise auf einfachere Formulierungen angewiesen sind: Sie begünstigen den umsatz- und finanzstärksten Wettbewerber, benachteiligen damit (wenn auch nur indirekt) die kleinen Unternehmen und beschleunigen somit letztlich den Niedergang eben jener Struktur, die zu fördern Sie vorgeben. Ihre Fördermittel bewirken also – und damit handeln Sie als Politiker fast schon wieder konsequent – genau das Gegenteil dessen, was auf deren Verpackung draufsteht.

Wählergunst und Subventionsempfänger werden's Ihnen danken, kleinere Betriebe in ländlicher Struktur möglicherweise nicht.

Robert Witschital

Pfaffenhofen