Ingolstadt
Überwältigendes Hörerlebnis

11.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:28 Uhr

Festival im Festival: Der international gefeierte Dirigent Kent Nagano hat in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Audi-Jugendchorakademie zusammengearbeitet. Am Donnerstag dirigierte er Mahlers »Auferstehungssinfonie« in Ingolstadt. - Foto: Sauer/Audi

Ingolstadt (DK) Noch gestalten die Flöten den symbolträchtigen Ruf der Nachtigall. Kurz danach erwächst der Auferstehungschor – erst ganz still, wie aus dem Nichts, doch bald steigert er sich bis zur Schlussapotheose. „Sterben werd’ ich, um zu leben“, lauten die Worte, in die Gustav Mahlers Zweite Sinfonie gipfelt. Es war dieser Auferstehungschor, der bei der Aufführung in Ingolstadt unter der Leitung von Kent Nagano ein bleibendes Hörerlebnis wurde – ungeheuer packend und zutiefst berührend.

Mit diesem Konzert wurde das neue „Vorsprung-Festival“ der Sommerkonzerte eröffnet, das der frühere Münchner Staatsopern-GMD Nagano als künstlerischer Leiter verantwortet. Und dass der Auferstehungschor eine derart überwältigende Kraft entwickelte, lag schon allein an der Zusammensetzung des Gesangsensembles. Die Profis des ChorWerk Ruhr sangen gemeinsam mit dem Nachwuchs der Audi-Jugendchorakademie. Diese Einbindung der Jugend verlebendigte umso plastischer den Gehalt von Mahlers Zweiter, die um Tod und Verklärung, Vergänglichkeit und Auferstehung kreist.

Die Botschaft, dass jede Geburt zugleich ein Tod und jeder Tod eine Geburt ist, wurde gerade durch die Einbindung der jungen Stimmen akustisch auf den Punkt gebracht. Ergreifend war das und erschütternd, zumal die Einstudierung des Chors durch Martin Steidler keine Wünsche offen ließ. Die Verständlichkeit und Gestaltung des Textes waren derart klar und plastisch, dass es einen buchstäblich aus dem Sessel riss. Dabei profitierten alle Beteiligten nicht zuletzt von der umsichtigen Leitung Naganos, der die Farben und Strukturen sorgfältig ausdifferenzierte. Einfach war das nicht, denn: Die Zweite ist ein Riesenwerk, das die recht direkte und gedrängte Akustik im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt schnell sprengen kann.

Nagano aber setzte in der Tschechischen Philharmonie eine klangliche Feinarbeit frei, wie man sie von diesem Orchester nicht unbedingt erwarten würde. Selbst in den dramatischsten Ausbrüchen und Höhepunkten im mehrfachen Forte blieben die Läufe oder Tremoli in den Streichern stets durchhörbar.

Nagano zeigte, dass er Mahler bestens versteht. In der Vergangenheit offenbarten das nicht zuletzt einige CD-Aufnahmen, die Nagano mit dem Bariton Christian Gerhaher und seinem Orchester aus dem kanadischen Montreal realisiert hat. Denn Mahlers Musik ist bereits auf dem Sprung zur Moderne, und hier fühlt sich Nagano ganz besonders wohl. In der Durchdringung von Raum und Klang, die in Mahlers Zweiter ganz wesentlich ist, schlug Nagano eine Brücke zur musikalischen Zukunft. Das eröffnete unerhörte Perspektiven, auch wenn mancher Effekt des Fernorchesters hinter der Bühne etwas zu leise blieb.

Ob hingegen die Gesangssolisten in jeder Hinsicht die richtige Wahl waren, darüber ließe sich durchaus streiten. Das gilt nicht so sehr für die Sopranistin Genia Kühmeier, sondern vielmehr für die Altistin Sarah Ferede – zumal die Altstimme in der Zweiten von Mahler die weitaus zentralere Rolle spielt.

Als im vorigen Jahr das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons mit der Zweiten von Mahler nach Salzburg, London, Edinburgh und Luzern tourte, sang ebenfalls Kühmeier mit. Den Altpart aber gestaltete Gerhild Romberger. Dass die Aufführungen seinerzeit überragende, unvergessliche Ereignisse wurden, war auch der wunderbaren Romberger zu verdanken. Dem „Urlicht“ des vierten Satzes rang sie eine Wahrhaftigkeit und schlichte Natürlichkeit in Ausdruck und Farbe ab, die Ferede in Ingolstadt nicht erreichte. Theoretisch hätte Romberger auch in Ingolstadt den Altpart aus der Zweiten Sinfonie von Mahler gestalten können, denn: An diesem Sonntag ist diese große Sängerin beim „Vorsprung-Festival“ unter Nagano mit Dvoráks „Requiem“ zu hören.

Für das Konzert der Audi-Jugendchorakademie „Dvorák neu erleben“ am Sonntag um 18.30 Uhr im Festsaal gibt es noch Karten.