Überfällige Veränderung

Kommentar

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Die Zeiten blinder Selbstzufriedenheit und Überheblichkeit sind vorbei, bei Volkswagen geht es jetzt ans Eingemachte: Die Kernmarke des angeschlagenen Wolfsburger Autokonzerns nimmt endlich die Probleme in Angriff, die eigentlich schon seit vielen Jahren das zügige, profitable und vor allem nachhaltige Fortkommen der Marke bremsen. Insofern hat der selbst verursachte Abgas-Skandal auch sein Gutes - als Initialzündung für längst überfällige Veränderungen.

Auf die VW-Beschäftigten, das wurde auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg mehr als deutlich, kommen turbulente Zeiten zu.

Da helfen - bei allem Verständnis - keine Pfiffe und Buhrufe für das Management, bei der renditeschwachen VW-Kernmarke muss massiv gespart werden. Denn sie wird die Hauptlast der finanziellen Folgen von Dieselgate schultern müssen. Fachleute rechnen mit Kosten von insgesamt 30 bis 40 Milliarden Euro für den Konzern. Hinzu kommen die Investitionen in Elektrifizierung, Digitalisierung und neue Mobilitätsdienste, die ebenfalls in die Milliarden gehen werden.

Im Grunde aber muss Volkswagen altbekannte Probleme beseitigen: im Branchenvergleich zu hohe Kosten für Personal, Forschung und Entwicklung, Vertrieb und Verwaltung. Dazu kommen - jenseits des Abgas-Skandals - die durch eine falsche Modellpolitik verursachten Absatzprobleme auf dem wichtigen US-Markt.

Nun soll die Wende mit einem "Zukunftspakt" gelingen. In den Verhandlungen dazu hat es der Betriebsrat immerhin geschafft, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind und jeder VW-Standort eine Zukunftsperspektive erhalten soll. Auch bestehende Tarifverträge stehen nicht zur Disposition. Dafür müssen viele VW-Leute zwecks Weiterqualifizierung wieder die Schulbank drücken und andere Aufgaben übernehmen. Und die Ingenieure sollen mehr arbeiten.

So weit, so gut für die Stammbelegschaft, dennoch wird die VW-Mannschaft um etliche Tausend schrumpfen - durch Ausnutzen der natürlichen Fluktuation und Angebote zur Altersteilzeit. Vor allem aber wird es wohl die Leiharbeiter treffen. Für sie gilt kein VW-Haustarif. Auch die Beschäftigten bei Zulieferbetrieben müssen bangen, denn dort wird mit Sicherheit der Kostendruck dank verschärfter Preisvorgaben von VW noch mehr ansteigen. Es ist wieder einmal die alte Geschichte: Was oben verbockt wurde, muss unten ausgebadet werden.