Ingolstadt
Der Korruption keine Chance

OB Christian Lösel kündigt einheitliches Compliance-Regelwerk und konsequente Überprüfungen an

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Ingolstadt (DK) Der Anlass ist ernst und der Ton rau - so wie man es in Stadtratskreisen mittlerweile gewöhnt ist. Es geht um Korruptionsprävention in der Verwaltung und den städtischen Tochtergesellschaften über ein einheitliches Regelwerk, dem alle Mitarbeiter verpflichtet sind, in der Fachsprache Compliance-Richtlinien genannt.

Christian Lange, der Fraktionsvorsitzende der Bürgergemeinschaft (BGI), beklagt in einer am Mittwoch versandten Pressemitteilung, dass OB Christian Lösel "offensichtlich im Geheimen hinter verschlossenen Türen" Compliance-Regeln erarbeiten lasse. Lange hatte am Montag im IFG-Verwaltungsrat erfahren, dass seit März einheitliche Regeln für die Stadt und ihre Unternehmen vorbereitet werden. "Korruptionsprävention darf kein Tabuthema sein!", sagt Lange. Er erinnert daran, dass er im April im Stadtrat den Beitritt der Stadt zur Organisation Transparency International Deutschland beantragt habe, wogegen sich die Stadtratsmehrheit "heftig gewehrt hat", so Lange.

Die Freien Wähler schießen scharf zurück: "Die BGI macht Politik im Stil der AfD!", donnert Stadtrat Markus Reichhart in einer Mitteilung. Er bezieht sich auf eine Anfrage Langes an die städtische IFG wegen "angeblicher Aufträge" an das Ingenieurbüro von Peter Springl, der zugleich FW-Fraktionsvorsitzender ist. "Angemessen wäre es gewesen, bei einem vagen Verdacht erst einmal beim Geschäftsführer der IFG anzurufen, bevor man einen Stadtratskollegen diskreditiert", klagt Reichhart. Der Vorstoß Langes und seiner BGI gegen Springl zeige deutlich, "welche Art von Politik von dieser linken, pseudo-bürgerlichen Gruppierung zu erwarten ist".

Das haut rein. Die gegenseitige Aversion sitzt tief. Diese Giftigkeit gibt aber auch einen guten Hinweis darauf, wie heikel das Thema Compliance zu sein scheint - und wie aktuell; man denke an die Untreuevorwürfe gegen Heribert Fastenmeier, den Ex-Geschäftsführer des Klinikums.

Es gibt also einiges zu klären. OB Christian Lösel hat sich über Langes Vorwurf, er lasse Compliance-Regeln im Geheimen erarbeiten, sehr geärgert. "Es ist wichtig, ordentlich, ruhig und konsequent vorzugehen", sagte Lösel gestern im Gespräch mit dem DK. "Wir werden auf gar keinen Fall einen Schnellschuss abgeben." Das erfordere, "sich erst mal schlauzumachen" und zu klären: Wer kann was tun? Und wie sollen die Prüfungen genau ablaufen?

Einheitlichkeit sei das Schlüsselwort. Denn natürlich hätten die Stadt und ihre Unternehmen längst Compliance-Regeln, sagt Lösel. Aber eben verschiedene, individuelle. "Da sind wir schon länger dran. Wir brauchen ein einheitliches Regelwerk, das wie eine Klammer über allem liegt, damit das beherrschbar ist." Der OB weist außerdem darauf hin, dass er und Otto Heiß, der oberste Rechnungsprüfer der Stadt, dafür gesorgt haben, "dass in den letzten Jahren alle Führungsleute an Anti-Korruptionsschulungen teilgenommen haben", halbjährlich würden die Teilnehmerlisten vorgelegt, um zu prüfen: "Wer war in den Schulungen drin"

2017 soll das Compliance-Regelwerk dem Stadtrat vorgelegt werden, berichtet Lösel. Es soll dann "im Wege der Aufsichtsrats-Beschlüsse bei allen Tochtergesellschaften installiert werden". Er hat außerdem zusätzliche Prüfungsaufträge an Wirtschaftsprüfer vergeben. In einem Schreiben hat er alle Geschäftsführer der städtischen GmbHs darüber informiert, dass folgende Prüfungsschwerpunkte festgelegt wurden:

1. Richtlinien für Auftragsvergaben und deren Einhaltung; 2. Compliance-Regelungen und Korruptionsprävention; 3. Rechtsgeschäfte aller Art mit Verwandten. Die "oberste Maxime" sei, dass ausschließlich externe Experten die Einhaltung der Regeln überprüfen. "Ziel dieser Prüfungsschwerpunkte ist es, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Geschäftsführer und Prokuristen zu schützen und in solchen Belangen rechtskonformes Handeln mit ausreichenden Organisations- und Kontrollmaßnahmen sicherzustellen", so Lösel.

Und ihm liegt noch etwas am Herzen: Zahlreiche Stadträte quer durch alle Parteien seien unternehmerisch aktiv, im Hauptberuf ebenso wie in einer Nebentätigkeit: "Ich bitte sehr darum, sie nicht pauschal unter Korruptionsverdacht zu stellen! Unser Vertrauen gilt allen Stadträten - ausnahmslos!"

Für die CSU-Fraktion stärkte gestern Hans Süßbauer Lösels Position. Er schreibt in einer Mitteilung: "Die Darstellung der BGI, dass nur aufgrund ihres Dazutuns nun endlich ein Regelwerk geschaffen wird, ist schlichtweg falsch. Offensichtlich hat sich Herr Lange in der Kürze seiner Stadtratstätigkeit mit den Abläufen in der Verwaltung noch nicht vertraut gemacht. Es gibt nämlich bereits für alle Bereiche Complianceregeln, jedoch noch kein einheitliches Regelwerk." Süßbauer weiter: "Die Stadtverwaltung verfügt mit dem Leiter des Rechnungsprüfungsamtes über einen Ombudsmann und Anti-Korruptionsbeauftragten, der seiner Aufgabe geradezu vorbildlich nachkommt!"