München
Trinkerszene wird trockengelegt

Alkoholverbot am Münchner Hauptbahnhof ab heute rund um die Uhr

31.07.2019 | Stand 23.09.2023, 8:01 Uhr
Patrik Stäbler
Der Konsum von Bier und anderen alkoholischen Getränken ist im Münchner Hauptbahnhof und seiner Umgebung ab sofort ganztägig untersagt. Das Verbot gilt nicht für die Restaurants und Freischankflächen am Bahnhof. −Foto: Stäblerl

München (DK) Ein Vormittag am Münchner Hauptbahnhof, die Sommerferien haben gerade begonnen, es wuselt wie im Ameisenhaufen - aber nicht überall.

Der träge Gegenpol zu all der Hektik sitzt wenige Schritte vor dem Nord-Eingang auf einem Betonquader - in Person zweier mittelalter Männer, die nahezu synchron dunklen Bierflaschen zum Mund führen.

Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen, das sagen sie gleich. Wohl aber erzählen die beiden, dass sie oft hier am Bahnhof sind - "zum Abhängen". Dass die Männer dies künftig nur noch bei Apfelschorle oder Mineralwasser tun dürfen, davon haben sie nichts mitbekommen. Ein Alkoholverbot am Hauptbahnhof? "So ein Schmarrn", sagt der eine, winkt ab und nippt wie zum Protest an seiner Flasche.

Und doch ist genau das mit dem heutigen Tag Realität: Ab dem 1. August gilt am Münchner Hauptbahnhof ein 24-Stunden-Alkoholverbot. Betroffen ist nicht nur das Bahnhofsareal, sondern auch die umliegenden Straßen sowie die Paul-Heyse-Unterführung. In diesem Gebiet ist es bereits seit Anfang 2017 untersagt, von 22 bis 6 Uhr alkoholische Getränke zu konsumieren oder mit sich zu führen, "wenn diese den Umständen nach zum dortigen Verzehr bestimmt sind", so die Verordnung. Ein Rund-um-die-Uhr-Verbot war seinerzeit rechtlich nicht möglich, was sich infolge einer Gesetzesänderung im Mai 2018 jedoch geändert hat. Daraufhin beschloss der Stadtrat, die bisherige Regelung auszuweiten - auf 24 Stunden.

Hintergrund ist das Ansinnen der Stadt, für mehr Sicherheit am Hauptbahnhof zu sorgen - dem "einzigen Kriminalitätsschwerpunkt in München", wie es der städtische Kreisverwaltungsreferent einmal gesagt hat. Und auch die Polizei räumt ein, "dass die Zahl der Ordnungsstörungen im Bereich des Hauptbahnhofs vor der Einführung der Alkoholverbotsverordnung deutlich zu hoch geworden sind". Und weiter: "Die Beschwerden durch Reisende und Anwohner hatten sich deutlich verschärft. Daher hat man sich auch bei der Polizei Gedanken gemacht, wie man wirksam entgegenwirken kann."

Heraus kam ein nächtliches Alkoholverbot, das sich aus Sicht von Stadt und Polizei bewährt hat. Demnach seien die alkoholbedingten Straftaten seit der Einführung "erheblich zurückgegangen", teilt das Kreisverwaltungsreferat mit. Und dennoch könne die Lage am Hauptbahnhof "noch nicht als zufriedenstellend bewertet werden" - auch weil die Zahl der Beschwerden nach wie vor hoch ist. "Viele Menschen fühlen sich in dem Bereich nicht sicher", sagt CSU-Stadträtin Evelyne Menges. Zudem sei der Hauptbahnhof für viele Besucher "das Tor zur Stadt, und wir wollen, dass sich die Menschen wieder wohlfühlen und nicht von gewalttätigen alkoholisierten Personen belästigt werden".

Mit den Stimmen von CSU und SPD beschloss der Stadtrat im Dezember eine Ausweitung des Alkoholverbots. Kritik kam dabei von der Opposition. Sie fürchtet, dass die Trinkerszene infolge des Verbots schlicht an andere Orte umzieht. So sieht Grünen-Stadtrat Dominik Krause in dem Beschluss eine "Tendenz zu immer mehr Verboten im öffentlichen Raum und dem sozialpolitisch grundsätzlich verfehlten Konzept der Vertreibung problematischer Personengruppen".

Einstimmig beschloss der Stadtrat derweil, dass im Zuge der Verschärfung ein neues Hilfsangebot für Alkoholkranke im Bereich des Hauptbahnhofs geschaffen werden soll. Um den ungeliebten Begriff der "Trinkerstube" zu vermeiden, spricht das Sozialreferat von einem "Begegnungszentrum für Menschen mit erhöhtem Alkoholkonsum". Betreiber wird die Caritas sein, die im Herbst eine entsprechende Einrichtung in der Dachauer Straße eröffnen soll. Dort wird der Konsum von Bier und Wein erlaubt sein; hochprozentiger Alkohol dagegen ist verboten. "Ich habe mir selbst bereits vergleichbare Begegnungszentren in Augsburg und Dortmund angeschaut", sagt Sozialreferentin Dorothee Schiwy. "Die betroffenen Menschen können gezielt erreicht und besser in der Bewältigung ihres Alltags unterstützt werden." Gleichzeitig könnten derlei Einrichtungen verhindern, "dass sich die Probleme in die weitere Nachbarschaft oder andere Stadtteile verlagern", so Schiwy.

Das Alkoholverbot kontrollieren sollen wie bisher die Polizei und der Kommunale Außendienst der Stadt. Sie können bei wiederholten Verstößen und Störungen Aufenthaltsverbote und Platzverweise erteilen. Von dem Verbot ausgenommen sind und bleiben die Restaurants und Freischankflächen am Bahnhof. Und auch Bürger, die dort eine Kiste Bier gekauft haben oder eine Flasche Rotwein zu Freunden mitbringen, bekommen keine Probleme.

Weder das eine noch das andere trifft freilich auf die zwei Männer auf dem Betonquader am Bahnhofseingang zu. Was sie tun werden, wenn Alkohol hier tabu ist? Bei dieser Frage zuckt der eine mit den Schultern, ehe der andere lapidar sagt: "Dann gehen wir halt woanders hin."

Patrik Stäbler