Thalmässing
Träume von einer besseren Welt

Michael Rasche predigt in Thalmässing von Jesus, Mandela und verschwundenen Idealen

26.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:16 Uhr

Kleine Lichter im Dunkel: Nur Kerzen, Lichtertüten und der Christbaum spenden Helligkeit an Heiligabend in der katholischen Kirche in Thalmässing. - Foto: Holland

Thalmässing (HK) Dunkel ist es in der katholischen Kirche in Thalmässing. Nicht einmal der riesige Christbaum in der Ecke ist anfangs erleuchtet. Nur dutzende Lichtertüten spenden ein wenig Licht – und das ist auch bitter nötig, um bei der Suche nach einem Stehplatz nicht über hunderte Füße zu stolpern.

Denn obwohl es noch 20 Minuten bis zum Gottesdienstbeginn sind, ist die Thalmässinger Kirche bereits restlos überfüllt. Auch als Pfarrer Michael Rasche um 19 Uhr mit seinen Ministranten feierlich einzieht, bleiben Christbaum und Altarraum dunkel.

Diese Dunkelheit ist bewusst gewählt. Die ersten Minuten dieses Weihnachtsgottesdienstes dominieren nämlich Ängste. Die Angst vor der Einsamkeit. Die Angst vor dem Verlassenwerden. Erst mit der Lesung werden die Lichterketten am Baum und Lampen im Altarraum eingeschaltet und tauchen das Kirchenschiff von nun an in warmes Hell.

Nach der Geburt Jesu im Evangelium geht es in der Predigt schließlich um jemand ganz anderen: Nelson Mandela. Was Jesus und Nelson Mandela gemeinsam haben? Eine ganze Menge, findet Rasche.

Mandela hatte die Vision einer Welt, in der Menschen weißer und schwarzer Hautfarbe gleichberechtigt sind. Für diese Vision saß er im Gefängnis. Ohne Kontakt zur Außenwelt. Er sei von seiner Vision so überzeugt gewesen, dass er sogar eine Begnadigung – wenn er dafür seine Aussagen widerrufe – abgelehnt habe.

In der Geschichte des Menschen hätte es immer wieder Beispiele von wahrer Größe gegeben, sagt Michael Rasche. Sokrates, Gandhi, Mandela – und Jesus. Sie alle hatten Träume von einer besseren Welt. Sie alle hatten aufgrund dieser Träume mächtige Feinde. Sie alle hatten die Möglichkeit zu fliehen, zu leugnen, zu widerrufen. Und sie alle haben es nicht getan. Einige haben für diesen Traum sogar den Tod in Kauf genommen.

In der heutigen Zeit dagegen werde diese Größe viel weniger verstanden, so Rasche. Er nennt sie „eine Zeit, in der Ideale verschwunden oder zumindest verborgen sind“. In der Politik gäbe es Pragmatismus statt Ehrlichkeit, im Alltag viel weniger Menschen, die sich für etwas einsetzen, „das größer ist, als man selbst“. Eine Ursache sieht Rasche im Rückgang der Religionen. Das Christentum zum Beispiel könne mit seiner Botschaft von Liebe und Menschlichkeit die Welt besser machen und dafür sorgen, dass sich wieder ein Gefühl für Größe entwickelt.

Den Gedanken einer friedlicheren Welt griffen auch die Musiker Elena Jank, Christine Schabdach und Hans Seidl auf, indem sie John Lennons berühmtes „Happy Xmas (War Is Over)“ coverten. Auch sonst bewies die Band ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Songs. Gospels, bekannte Lieder wie „Have Yourself A Merry Little Christmas“ und klassische deutsche Weihnachtslieder – abwechslungsreicher kann man einen Gottesdienst musikalisch kaum gestalten.

Am Schluss kommt Rasche noch auf die kleine, leuchtende Tür, die an der hinteren Altarwand hängt, zu sprechen. Seit dem ersten Advent hat sie sich Woche für Woche verändert. Zuerst nur von ein paar Lämpchen beleuchtet, wurde sie heller und heller. Heute, an Heilig Abend, strahlt sie am intensivsten. „Möge Gott auch in Ihrem Leben heller machen, was vorher dunkel erschien“, sagt Rasche und entlässt alle Besucher mit Handdruck und persönlichem Weihnachtsgruß in die Nacht hinaus.