Sündenbock für einen schlechten Club

20.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:02 Uhr

Nürnberg (DK) Der Höhenflug des 1. FC Nürnberg ist gestoppt: Mit einem 1:3 gegen Werder Bremen verlor der Club seinen Status als bestes Rückrundenteam der Bundesliga. Wütend machte die Franken aber nicht die verpasste Eroberung eines Europapokalplatzes, sondern der Schiedsrichter.

Aus einem wolkenlosen Himmel strahlte die Frühlingssonne über dem Frankenstadion, als die Angestellten des Sicherheitsdienstes plötzlich ihre Schirme aufspannten. Von einem Regenschauer am Nachmittag über Nürnberg war im Wetterbericht nicht die Rede. Allerdings fürchteten die Männer in den schwarzen Regenjacken auch keine harmlosen Wassertropfen, sondern sehr schmerzhaften Niederschlag, der gleich im Bereich der Haupttribüne – irgendwo zwischen Spielfeld und Kabinengang – in Form diverser Wurfgegenstände niederzugehen drohte.

"Schieber, Schieber, Schieber", so schallte es durch die ausverkaufte Arena, als sich die Nachspielzeit zu Ende neigte. Zum ersten Mal seit langer Zeit klang dieser Chor beim FCN nicht freudig erregt, sondern gefährlich wütend. Gemeint war nämlich nicht der Nürnberger Torjäger Julian Schieber, der verletzt auf der Tribüne saß, sondern Schiedsrichter Michael Weiner. Mit zwei umstrittenen Elfmeter-Entscheidungen für Werder Bremen und einem ebenso strittigen Platzverweis gegen den Club eignete er sich ausgezeichnet als Sündenbock für das Ende der fränkischen Erfolgsserie.

Das enttäuschende Ergebnis an sich hätte an diesem Nachmittag wohl nur wenige Nürnberger wütend gemacht. Mit einer schlechten Vorstellung des Club und einem beherzten Auftritt von Werder Bremen lässt sich der Auswärtssieg für die Norddeutschen recht schlüssig erklären. Alles andere als schlüssig waren dagegen die Maßstäbe, die Fifa-Schiedsrichter Michael Weiner an den Tag legte. "Das war eine katastrophale Leistung", schimpfte Club-Kapitän Andreas Wolf. "Ich habe selten so ein wechselhaftes Pfeifen gesehen", lautete der Vorwurf von Club-Trainer Dieter Hecking.

So ließ der Schiedsrichter in der 20. Minute weiterspielen, als Bremens Mikael Silvestre bei seiner Grätsche im eigenen Strafraum gleichzeitig den Ball und Nürnbergs Mehmet Ekici abräumte. Sechs Minuten später entschied Michael Weiner jedoch auf Strafstoß, als der junge Club-Verteidiger Philipp Wollscheid nahe der Torauslinie am Trikot von Werder-Schlitzohr Claudio Pizarro zupfte, der dankbar zu Boden ging. Wollscheid zahlte in dieser Szene viel Lehrgeld, denn Sandro Wagner verwandelte den Elfmeter zum 1:0 für die Gäste. Es war das erste Nürnberger Gegentor im Frankenstadion nach zuletzt vier Heimsiegen in Folge.

Auf eine Fortsetzung dieser Serie durfte der Club zwar nur wenige Minuten später schon wieder hoffen, weil sich ein abgefälschter Schuss von Ilkay Gündogan zum 1:1-Ausgleich im Bremer Tor verirrte (30.). Doch nur fünf Minuten nach dem Seitenwechsel hatte auch Werder das Glück auf seiner Seite, als ein Schuss des herausragenden Claudio Pizarro an die Hand von Andreas Wolf prallte – und von dort unhaltbar zum 1:2 ins Nürnberger Tor. War in den vergangenen Wochen so gut wie alles zu Nürnberger Gunsten gelaufen, so lief am Samstag so gut wie alles gegen den Club.

Der Platzverweis gegen Timothy Chandler, der zu Beginn der zweiten Halbzeit gleich für sein erstes Foul verwarnt wurde, passte da perfekt ins Bild. Obwohl der Nürnberger in seinem Zweikampf mit Tim Borowski zurückzog, zückte Schiedsrichter Weiner die gelb-rote Karte. "Aus meiner Sicht ist das ein Witz", sagte Club-Trainer Hecking und beklagte nochmals die mangelnde Gerechtigkeit. "Wenn man eine Linie hat, dann muss man sie 90 Minuten durchziehen – und zwar für beide Mannschaften." Bremens Torsten Frings zeigte der Referee dagegen erst nach dem vierten robusten Einsteigen überhaupt einmal die gelbe Karte.

Kurz vor Schluss zog sich der Schiedsrichter dann endgültig den Zorn der Nürnberger Spieler und Zuschauer zu, als er Pizarros Schwalbe gegen Schäfer nicht erkannte und zum zweiten Mal auf Elfmeter für Bremen entschied. "Alle haben es gesehen, nur Weiner nicht", schimpfte der Torwart, der beim anschließenden Strafstoß wieder nur das Nachsehen im Duell mit dem Bremer Matchwinner Sandro Wagner hatte. Einziger Trost für Nürnberg nach dieser bitteren 1:3-Niederlage: Trotz des Mainzer Punktgewinns beim Tabellenführer Borussia Dortmund bleibt der Club nur zwei Punkte hinter dem fünften Tabellenplatz zurück. Der als "Schieber" verschriene Schiedsrichter Michael Weiner erreichte seine Kabine übrigens unverletzt.