Ingolstadt
Unbekannte Nachbarn am Mittelmeer

20.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:02 Uhr

Treffen der Kulturen: Helmut Henseler (links) setzt auf Begegnungen, um Vorurteile abzubauen. So wie beim Besuch dieser bayerischen Delegation in einer jordanischen Universität. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Begegnung, Austausch, Information, gegenseitiges Verständnis – ein Ingolstädter, der in Jordanien seine Kindheit verbrachte, will die Menschen aus dem arabischen und europäischen Kulturkreis zusammenbringen.

"Wir wissen nach wie vor zu wenig über unsere arabischen Nachbarn", ist Helmut Henseler überzeugt. "Die Vorstellungen wechseln zwischen Oasenromantik und Wiege des Terrorismus." Daran habe auch die Berichterstattung über die Umbrüche in Tunesien, Ägypten und Libyen wenig geändert. Deswegen sei die aktuelle Situation in den arabischen Staaten für viele Menschen hierzulande nicht nachvollziehbar.

"Vor allem von der jüngeren Geschichte dieser Länder ist bei uns kaum etwas bekannt." Etwa, dass die arabischen Nationalstaaten von den europäischen Mächten nach dem Ersten Weltkrieg am Reißbrett entworfen worden sind. "Deswegen haben sie ja auch so kerzengerade Grenzen."

Henseler selbst ist Experte. Er ist in Jordanien aufgewachsen. Sein Vater arbeitete dort als Ingenieur und hatte seine Familie mitgenommen. Erst mit 14 Jahren kam der heute 61-jährige Helmut Henseler nach Deutschland zurück. 40 Jahre vergingen, bis er in das Land seiner Kindheit zurückkehrte – und war überrascht. Alte Bekannte haben ihn begrüßt "als sei ich erst vorgestern weggefahren". Jetzt reist er wieder regelmäßig nach Jordanien. Mittlerweile ist der Ingolstädter auch Präsident der Deutsch-Jordanischen-Gesellschaft. Der Verein, der bundesweit mehr als 300 Mitglieder hat, will für Aufklärung sorgen. Dazu gehört unter anderem die Organisation von Jugendaustauschen und Reisen. Dabei werden nicht nur die bekannten Sehenswürdigkeiten wie die Felsenstadt Petra oder die Ausgrabungsstätte in Gerasa besucht. Auf dem Programm stehen auch Treffen mit Politikern oder Nicht-Regierungsorganisationen. So sollen Berührungsängste weiter abgebaut werden.

Die Skepsis, die manche Mitteleuropäer gegenüber Arabern hegen, kommt, so vermutet Henseler, von den unterschiedlichen Mentalitäten der beiden Kulturen. Im islamisch geprägten Arabien stehe der Clan an erster Stelle. Es zähle stets der Erfolg einer Familie, nicht der eines Einzelnen. Das sei im individualisierten Europa ganz anders. Dennoch seien Araber oft besser integriert als etwa Türken. Als positives Beispiel nennt er den Arabischen Kulturverein in Ingolstadt.

Am Samstag, 26. März, kommen Vertreter der Deutsch-Jordanischen-Gesellschaft zu einem Arbeitstreffen in Ingolstadt zusammen (siehe Kasten). Thema wird der Tourismus und seine Bedeutung für die arabischen Staaten sein. Es ist die elfte Veranstaltung dieser Art. "Anfangs waren wir nur fünf, sechs Leute, die da im Wintergarten des Audi-Forums zusammensaßen", erinnert sich Henseler. Mittlerweile kommen zehn Mal so viele. Darunter hochrangige Experten. Unter anderem ist der jordanische Botschafter, Issa Ayyoub, eingeladen.