Ingolstadt
Stürmen und Brodeln

Die Uraufführung einer Donizetti-Messe überrascht in Ingolstadt

28.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:11 Uhr

Sänger im Hintergrund: Bei Donizettis „Missa“ spielen die Instrumente die Hauptrolle - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Was für eine Überraschung in der Asamkirche Maria de Victoria: Franz Hauk, die internationale Simon-Mayr-Gesellschaft und der Simon-Mayr-Chor mit Ensemble und Solisten führten die „Missa di Gloria e Credo“ d-Moll von Gaetano Donizetti auf. Was soll denn eine Orchestermesse in einer Kirche für eine Überraschung sein, mag sich da mancher denken.

Eine große, sehr große sogar. Denn die Messe wurde eineserseits zum ersten Mal aufgeführt und glich zum anderen einer Mischung aus Opernouvertüre, großer Sinfonie und exzellentem Instrumentalkonzert in einem. Dieses grandiose Musikwerk zeigte, dass Sänger nicht immer im Mittelpunkt stehen müssen; sie wurden bei dieser Messe fast zu Nebendarstellern – obwohl sie ihre Rollen erstklassig füllten. Ohne Franz Hauk wäre man freilich nie in den Genuss solcher Musik gekommen: Er rekonstruierte die Messe nach langen Recherchen in vielen europäischen Bibliotheken, editierte sie und brachte sie schließlich zur Aufführung.

Dass diese Missa mehr ist als die Vertonung des typisch lateinischen Messetextes ist, zeigte sich gleich im zweiten Teil des Kyrie. Da stürmte es, da brodelte es, da zuckten die Blitze, und man konnte fast glauben, Opernkomponist Donizetti, der ja viel früher lebte als Richard Wagner, packe da die Hand des fliegenden Holländers. Dann folgte sogleich der Höhepunkt: das 40-minütige „Gloria“. Mit hervorragenden Solisten – und das waren nicht die Sänger. Sopranistin Siri Karoline Thornhill, Tenor Mark Adler und Bariton Martin Berner machten ihre Sache bestens, doch Donizetti hat in diese Messe so außerordentlich wunderbare und anspruchsvolle Instrumentalistenstellen komponiert, dass der Gesang eigentlich nur schmuckes Beiwerk ist. Sopranistin Marie-Sophie Pollak und Mezzosopranistin Marie-Sande Papenmeyer hatten zudem nur sehr kurze Einsätze im „Ave Maria“ und „Agnus Dei“.

Aber zurück zum Gloria und der leider nicht im Programm erwähnten ersten Klarinettistin. Schon Donizettis Lehrer Simon Mayr muss ein großer Verehrer des Holzblasinstrumentes gewesen sein – was seine Kompositionen für Bassetthorn beweisen. Auch Mayr schrieb virtuose Stellen in Messen für Klarinette – und hat seine Liebe für das Instrument offenbar an seinen Schüler Donizetti übertragen. Was Donizetti für Klarinette in die vermutlich um 1820 komponierte Missa schrieb, übertrifft vieles. Mehr Soli als in jeder Sinfonie, fast so im Mittelpunkt wie in einem Klarinettenkonzert. Ob atemberaubend schnelle Akkordbrechungen, chromatische Läufe oder kantilene Stellen – die Klarinettistin meisterte sie mit Bravour. Nicht minder schwindelerregende Akkordbrechungen zauberte der Hornist auf seinem, das muss besonders hervorgehoben werden, Naturhorn. Da sind solche Stellen doppelt so schwierig. Auch Konzertmeisterin Theona Gubba-Chkheidze brillierte in einem Teil des Glorias mit einem Violinsolo.

Nach so vielen Sahnestücken im ersten Teil ging es im kürzeren zweiten dann mit „Credo“, „Offertorium“, „Sanctus“ und letztendlich „Agnus Dei“ zu Ende. Auch hier dominierte mehr musikalischer Hochgenuss als strenge geistliche Einkehr. Schade, dass es eine Messe war, denn so traute sich keiner zwischen den Teilen für die grandiosen Musiker, Sänger und Franz Hauk zu klatschen. Am Freitagabend hätten es die Akteure mehr als verdient.