Strahlende Gesichter sind der schönste Lohn

06.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:36 Uhr

Fühlt sich an der Hauptschule am "rechten Fleck": Der 26-Jährige Johannes Walter bekam selbst nichts geschenkt und musste sich sein Studium selbst finanzieren. Jetzt will er Jugendlichen helfen, ihren Weg zu gehen.

Pfaffenhofen (PK) Frontalunterricht war gestern. Umringt von kleinen Tischgruppen, an denen die Erstklässer der Volksschule Schweitenkirchen-Paunzhausen sitzen, steht Christine Hahn. Aufrecht und umsichtig.

Mucksmäuschenstill hört sich anders an, aber der Lärmpegel hält sich in Grenzen. Schwillt er an, legt die Lehramtsanwärterin kurz den Zeigefinger an den Mund. Sofort sind die 27 Mädchen und Buben ruhig. "Eine große Klasse. Da ist es nicht einfach, Ordnung herzustellen", sagt sie. Geschafft oder gar gestresst wirkt sie aber nicht. "Dazu macht mir das Unterrichten zu viel Spaß, obwohl ich im Moment ordentlich zu tun habe."

Nur wenige Kilometer nördlich packt Johannes Walter seinen Rucksack. Der 26-jährige Lehramtsanwärter, der sich sein Studium selbst finanzieren musste, lebt in Schwabach, verbringt beim Pendeln nach Manching täglich weit mehr als zwei Stunden auf Straßen und Schienen. "Mein Wunsch war es, in Franken eingesetzt zu werden. Da sieht man schon, was sie das kümmert. Du wirst dahin geschoben, wo sie dich gerade brauchen." Trotzdem fühlt er sich in Manching wohl. Vom Lehrerkollegium wurde er gut aufgenommen. "Wir haben ein sehr kleines Team – das Arbeiten hier ist toll."

Genau wie Johannes Walter kommt Christine Hahn frisch von der Uni. Die Pfaffenhofenerin wurde von der Regierung von Oberbayern ganz wunschgerecht an eine Schule im Landkreis eingeteilt. In Schweitenkirchen fühlt sich die 25-Jährige wohl. Sie kommt gut klar mit den Kollegen, Hilfe wird ihr von allen Seiten angeboten. Wenn Christine Hahn vor der Klasse steht, blüht sie auf. Nur wenn sie ihre Klasse kurz ermahnen muss, verschwindet ihr Lächeln. Aber nur ganz kurz. Dann ruft sie den nächsten ABC-Schützen auf, immer freundlich, aber bestimmt, und ihr gewinnendes Strahlen kehrt schnell zurück.

"Am rechten Fleck"

Deutlich mehr muss Johannes Walter durchgreifen. Er unterrichtet an fünften und sechsten Klassen im kombinierten Fach GSE. Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde. Der 26-Jährige ist bodenständig. Eigentlich ein Arbeitertyp. "Ich habe mehr aus mir gemacht. Es ist mein Ideal, dass jeder Jugendliche alle Chancen auf Förderung erhalten sollte. Daher bin ich hier am rechten Fleck. Weil einen Hauptschüler von einem Gymnasiasten meist nur das soziale Umfeld und das Geld der Eltern unterscheidet."

Im ersten Jahr halten Lehramtsanwärter acht Unterrichtsstunden pro Woche. Für Christine Hahn heißt das immer montags, mittwochs und donnerstags Religion und Sport in ersten und dritten Klassen. Hinzu kommen Hospitationsstunden bei ihrer Betreuungslehrerin, außerdem die Zeit im Seminar. "Die Nachmittage brauche ich, um meinen Unterricht intensiv vorzubereiten", berichtet sie. Sie nimmt die rappelvollen Arbeitstage und die verplanten Wochenenden in Kauf, damit sie künftig als Grundschullehrerin in allen Fächern wirken kann. Beim Beobachten der Kollegen und in gemeinsamen Seminaren werden junge Lehrer auf ihren künftigen Job vorbereitet. Sie lernen dabei für die Praxis deutlich mehr, als zuvor an der Uni. "Viel Theorie. Kaum Praxis. Mit wirklichem Unterricht und der notwendigen Vorbereitung hat das nichts zu tun", sagt Johannes Walter. Er hat das Gefühl, erst jetzt bei seiner wirklich Ausbildung angelangt zu sein.

Zeichen mit Wirkung

Fünf bis sieben Jahre sind die Kinder alt, die Christine Hahn ihre kleinen Zeigefinger entgegenrecken. Wer aufgerufen wird, hat das Wort. Spricht ein Erstklässer zu leise, hält sich die 25-Jährige eine Hand ans Ohr. Zeichen mit Wirkung sind wichtig. "Die Kleinen sind irre neugierig, sie wollen lernen und können im Grunde nie genug davon bekommen", hat Christine Hahn erfahren. "Sie hören zu, sie zeigen Respekt und sie sind willig. Ich kann nicht klagen."

Viele Kinder würden schon in jungen Jahren über ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein verfügen. "Wirkliche Hascherl sind kaum darunter." Auf ihren künftigen Beruf als Grundschullehrerin fühlt sich Christine Hahn gut vorbereitet. Fünf Praktika hat sie während ihres Studiums absolviert. Jedes einzelne davon habe sie weitergebracht.

Die Zügel anziehen

Streng geht Johannes Walter mit seinen Schützlingen um. "Die Grenzen loten sie ganz von alleine aus. Das kommt automatisch. Daher müssen wir am Anfang die Zügel anziehen, um uns Respekt zu verschaffen", sagt der 26-Jährige in Erinnerung an seine eigene Schulzeit. Im Umgang mit den Schülern sieht er kaum Unterschiede zwischen Hauptschülern und Gymnasiasten. "Die Kinder grüßen, verhalten sich korrekt, zeigen Respekt. Die ganze Meinungsmache ist doch nur ein Klischee."

Walter wurde erst im Seminar klar, wie viel der Lehrerberuf fordere. Pro Woche 28 Stunden an der Schule, täglich 220 Kilometer Fahrt und mindestens sechs Stunden am PC – zum Nacharbeiten und Vorbereiten. "Das Pensum hat es in sich, aber es lohnt sich", findet Walter. "Den Jugendlichen etwas beizubringen, sie für das Leben zu rüsten – darauf kommt es an." Dass er sich gerade ein wenig anpasst, wundert ihn selbst. "Schau, ich trage ein Hemd und habe mir erst vor kurzem feine Schuhe gekauft. Dabei wollte ich immer ein cooler Lehrer mit Buggyjeans und fetten Ketten um den Hals werden", muss er selbst lachen; dann packt seine Tasche, steigt ins Auto und ruft herüber: "Jetzt geht’s ins Fitnessstudio, mich ein wenig ausarbeiten. Das muss auch mal sein."

Der Blick in strahlende Kindergesichter entlohnt Christine Hahn für all die Mühen. "Es ist das Größte, wenn bei den Kindern etwas hängen bleibt und man merkt, dass sie in der Stunde etwas gelernt haben", fügt sie an. Immer gelingt das nicht. Nicht jede Einheit fällt so abwechslungsreich aus wie geplant. Frustrierende Rückschläge, wenn eine Stunde nicht so gut läuft, lernt ein junger Lehrer schnell kennen. Dann heißt es anpacken, daraus lernen, das nächste Mal besser machen.

"Ich probiere in solchen Fällen etwas Neues aus – und meistens klappt das", sagt sie. Vor allem komme es darauf an, die Kinder auf unterschiedliche Art und Weise zu fördern. "Jeder hat andere Talente und alle Fähigkeiten sollten angesprochen werden. Meine Aufgabe als Lehrer halt", sagt Christine Hahn, lächelt und geht zurück zwischen die Tische, mitten unter die Kinder. Frontalunterricht ist von gestern. Die jungen Lehrer von heute sind es nicht.