Ingolstadt
Statt einer Landesgartenschau

Die neue Stadtführung "Typisch Ingolstadt" bietet so manche Überraschungen - selbst für Schanzer

14.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:10 Uhr
Klassizismus pur: Die bayerische Königsfamilie samt Kronjuwelen hätten im Fall einer Invasion im Reduit Tilly Zuflucht finden sollen. Der 1841 fertiggestellte Festungsbau ist das Zentrum des Brückenkopfes. Heute ist dort die Dauerausstellung des Armeemuseums zum Ersten Weltkrieg. −Foto: Hammer

Ingolstadt - "Typisch Ingolstadt!

 

" Dieses Urteil hat wohl schon jeder Bürger mal über seine Heimatstadt gefällt - und im Regelfall dürfte es nicht das allerbeste gewesen sein. Doch die Schanz kann auch anders. Sie hat durchaus ihre schönen Seiten und ihre verborgenen Qualitäten, die freilich nicht auf den erste Blick erkennbar sind. Einige davon will die gleichnamige Stadtführung präsentieren, die noch bis Ende September jeden Freitag um 17 Uhr am Rathausplatz startet. Ende vergangener Woche war Premiere, und man darf der Ingolstadt Tourismus und Kongress GmbH (ITK) und speziell Stadtführerin Anita Ihle das Kompliment machen, dass sie den Blick auf einige Details lenkt, die selbst echten Ingolstädtern bislang kaum aufgefallen sind. "Die Schönheiten der Stadt sind durchaus vorhanden", formuliert es Ihle.

Die neue Führung "Typisch Ingolstadt" nimmt auch Bezug auf die Landesgartenschauen in Ingolstadt, auf die von 1992 und auf die auf das nächste Jahr verschobene nächste Auflage. "In Ingolstadt verbinden sich Natur, Kunst und Kultur auf einzigartige Weise, wechseln sich historisch bedeutsame Bauwerke mit attraktiven Parks und Gärten ab", heißt es in der Ankündigung, und genau das will der Rundgang aufzeigen.

Der Paradeplatz mit seinem Brunnen ist eine der ersten Stationen des eineinhalbstündigen Rundgangs. Wie die Teilnehmer der Führung erfahren, hat die Stadt zu Ehren des Kaiser Ludwigs des Bayern im Jahre 1881 diesen Brunnen zunächst auf dem Rathausplatz an Stelle des dort befindlichen barocken Mauritiusbrunnens errichtet. 1939 wurde er schließlich auf den Paradeplatz vor dem Schloss versetzt. Ihn ziert eine Figur des Kaisers Ludwig, und der eine oder andere mag sich vielleicht schon mal gefragt haben, warum der erste Wittelsbacher auf dem Kaiserthron nicht geradeaus in die Fußgängerzone schaut. "Er blickt zum Spital, das er 1319 hat erbauen lassen", weiß Anita Ihle die Antwort.

Viel zu erzählen gibt es natürlich über das Neue Schloss, wo einst Napoleon übernachtete. Dass im Schlosshof nicht nur Kanonen stehen, sondern auch ein Garten ist, dürfte vielleicht so manchen überraschen. Dort hat das Gartenamt nämlich links hinten in der Ecke einige Beete mit Kräutern angelegt, wo sich jeder kostenlos bedienen kann. Es ist alles dabei, was man für die Küche braucht: Schnittlauch, Rosmarin, Basilkum und vieles mehr. Neu ist dort heuer die aus Mexiko stammende Limonadenpflanze, deren Blätter sich zur Herstellung von Limo eigenen.

Der weitere Weg führt die Gruppe zum wiedereröffneten alten Feldkirchner Tor, das ein Teil des Bayerischen Armeemuseums ist. Auf der Brücke über den Schlossgraben lenkt Anita Ihle den Blick der Teilnehmer nach links. Umrahmt von Bäumen und historischem Gemäuer präsentiert sich gerade jetzt im Sommer hier am Unteren Graben ein Teil der Stadtmauer von seiner schönsten Seite. Am Ausgang aus dem Feldkirchner Tor wiederum lohnt ein Blick nach rechts: In einer kleinen Fensteröffnung in einem der Türme ziehen Falken ihren Nachwuchs groß.

Der Klenzepark darf bei so einer Führung nicht fehlen. Viele können sich bestimmt noch an die Landesgartenschau im Jahr 1992 mit 2,2 Millionen Besuchern erinnern, die das Bild Ingolstadts in diesem Areal nachhaltig verändert hat, fast jeder hat wohl den Park schon besucht. Doch auch hier kann Stadtführerin Ihle mit Überraschungen aufwarten. Wie etwa die 25 Meter hohe Großskulptur namens "Rauchsignal", die vor dem Reduit Tilly steht: Die lange, dünne Stange scheint sich oben zu kräuseln - wenn man vor ihr steht und in Richtung Stadtmitte blickt. Schaut man jedoch donauaufwärts, ist sie fast völlig gerade - eine interessante optische Spielerei. Immer wieder ein Erlebnis ist der Innenhof des Reduits Tilly mit den Löwenköpfen und dem hohen handwerklichen Niveau der damaligen Baumeister.

Neben Glacis und der Alten Anatomie lenkt die Führung die Besucher auch durch den Astronomiepark. Seit 1998 ermöglicht er eine Wanderung durch Raum und Zeit unseres Sonnensystems im Maßstab von 1:1 Milliarde und erinnert zugleich an die großen Naturwissenschaftler an der früheren bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt. Der Wandelgang am Rande des Parks ist übrigens ebenfalls ein Ausfluss der Landesgartenschau 1992. Dort gedeihen etliche alte Rosensorten, die gerade jetzt ihren Duft verströmen.

peh