Schrobenhausen
Starke Charaktere, starker Ausdruck

"Bremer Stadtmusikanten" begeisterten in der proppenvollen Stadthalle

27.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Das ist gelebte Integration: Insgesamt 13 Jugendliche verschiedener Nationalitäten standen am Dienstagabend bei der Premiere der "Bremer Stadtmusikanten" auf der Bühne in der Stadthalle. Eine beeindruckende Leistung ist das vor allem von den jungen Flüchtlingen. Viele von ihnen sprachen bis vor sechs Monaten noch gar kein Deutsch. - Fotos: Staimer

Schrobenhausen (SZ) Eine umjubelte Premiere der Bremer Stadtmusikanten legte das Theaterprojekt mit jungen Flüchtlingen und einheimischen Jugendlichen am vergangenen Dienstag hin.

Magie lag in der Luft als die jungen Spieler förmlich über sich hinauswuchsen und das Publikum von den Stühlen riss. "Da kann man nur sagen: bravo, bravo, bravo!" oder "Einfach supergenial - von Anfang bis Ende": solcher und ähnlicher Zuspruch brandete am Ende den jungen Leuten auf der Bühne und ihrem Team hinter den Kulissen entgegen. Starke Charaktere, starke Mimik, starker Ausdruck. Mit Fug und Recht: Sie haben sich dieses Lob verdient.

Die 13 jungen Leute aus Syrien, Bayern und Afghanistan sind förmlich über sich hinausgewachsen, als sie die Geschichte von Esel, Hund, Katze und Hahn mit Leben füllten, die ihr Heil als Stadtmusikanten in Bremen finden wollten. Textsicher und souverän, mit unglaublicher Spielfreude und Präsenz spielten sie sich in die Herzen der 180 Zuschauer. Immer wieder gab es Szenenapplaus und Lacher, die den jungen Schauspielern Flügel wachsen ließen.

"Eine wahre Geschichte nach einem Märchen, die sich so oder so ähnlich überall ereignet haben könnte", verkündete Erzählerin Tabea vom Bühnenrand. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Navid führten die beiden im grünen Latzhosen-Arbeitsdress verschmitzt durch den Abend. Die Arbeitshose deshalb, weil die beiden zwischendurch das Bühnenbild umbauten. Die Kulisse, ebenfalls mit und von Flüchtlingen gestaltet, erwies sich so minimalistisch wie eindrucksvoll flexibel. Die mobilen Einzelelemente aus Umzugskartons waren mal tiefster Wald oder Stadtansicht, mal Räuberhöhle oder Mühlenlandschaft.

Der teils freie Umgang mit der Grimm'schen Märchenvorlage bezauberte. So verkündet der kapriziöse Hahn (Somaieh Saidi in ihrem ach so empfindlichen Federkleid) - eingeplant auf dem Speiseplan - "Etwas Besseres als Hühnersuppe finden wir überall". Doch dass die gut genährte siebenköpfige Räuberbande am Ende von den vier Stadtmusikanten in die Flucht geschlagen wurde, folgte dem bekannten Plot - temporeich und turbulent versteht sich.

Auch die Livemusik, direkt vom Bühnenrand eingespielt, war herrlich maßgeschneidert. Da erklangen das dreistimmige "afghanische Wiegenlied" oder der in verschiedenen Variationen wiederkehrende "Wander-Soundtrack". Fast alles selbstkomponiert oder arrangiert von Cora Krötz und Navid Saidi, die auch gemeinsam mit Maria Fahn als Musiker die Theatercombo bildeten. Mulitiinstrumental unterwegs kamen nicht nur Gitarre, Geige, Querflöte und Saxofon zum Einsatz, sondern auch Cajón, indisches Harmonium, Kazoo und das obertonreiche Hang.

Einer saß von seinen Gefühlen komplett überrollt an seinem Regietisch: Hans Kriss, der mit seiner Frau Afra die Grimm'sche Gesindegeschichte den jungen Spielern förmlich auf den Leib geschrieben hat. Im Grunde sei es eine Arbeit wie mit jedem Laientheater gewesen, erzählt Kriss. "Die Herausforderung war, dass die Jugendlichen vor einem halben Jahr teils noch kein Wort Deutsch gesprochen haben. Sich in einer komplett fremden Sprache trauen, sich derart ins Spiel zu schmeißen, das ist einfach fantastisch." Was Kriss noch toll findet: Die Gruppe sei zusammengewachsen, habe zueinander und zu sich Vertrauen gefasst und sich dem intensiven Theatertraining immer mehr geöffnet. Es scheinen in der Tat Freundschaften entstanden zu sein über das Miteiná †ander auf der Bühne hinaus. "Die ganze Idee, die dahinter steckt, hat sich szenisch, spielerisch und musikalisch eingelöst", äußert sich Hans Kriss tief berührt.

In dem Theaterprojekt ist klargeworden: Wenn Integration gelingen soll, dann ist das ein Weg. Die Arbeit an den "Bremer Stadtmusikanten" ist mit Sicherheit ein gelungener Baustein auf diesem Weg.