Eichstätt
"Stadtlinie völlig neu überdenken"

Defizit steigt, Fahrgastzahlen sinken – Stadtrat zieht die Analyse des Stadtwerkechefs in Zweifel

27.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Die Stadtlinie gilt seit ihrem Start vor 23 Jahren als Erfolgsmodell. Allerdings steigt bei sinkenden Fahrgastzahlen das Defizit. - Foto: chl

Eichstätt (EK) Die Stadtlinie Eichstätt wird seit ihrem Start 1992 als Erfolgsmodell gefeiert. Aber: Die Fahrgastzahlen sinken, das Defizit steigt. Stadtwerkeleiter Wolfgang Brandl legte nun im Stadtrat eine Analyse vor, die vom Gremium skeptisch aufgenommen wurde.

„Wir stehen noch nicht unmittelbar vor aktuellem Handlungszwang“, formulierte Brandl, und Oberbürgermeister Andreas Steppberger bemerkte: „Es brennt noch nicht.“ Allerdings war bei der Stadtratssitzung vergangene Woche allen im Gremium klar, dass mittelfristig Handlungsbedarf besteht. Während es Brandl aber um die Sicherung des Bestandes ging, strebten verschiedene Stadträte eine Ausweitung des Angebots an.

Brandl legte am Donnerstag eine detaillierte Analyse zur wirtschaftlichen Situation der Stadtlinie vor und zeigte die Folgen möglicher Fahrpreiserhöhungen oder Fahrplanänderungen auf: Aus den Jahren 1993 bis 2013 errechnet Brandl ein durchschnittliches Defizit von rund 599 000 Euro, wobei sich das Defizit jährlich um rund 16 000 Euro (2,75 Prozent) erhöht hat. Von 1993 bis 2003 konnte laut Brandl ein Kostendeckungsgrad von mindestens 34 Prozent erreicht werden, danach war dieser unter 30 Prozent gefallen und erst mit der Fahrpreiserhöhung 2010 wieder über 30 Prozent gestiegen. Die Kosten sind von 2007 auf 2013 jährlich um rund 14 000 Euro gestiegen, die Erlöse nur um rund 8000 Euro jährlich.

„Das ist eine kritische Entwicklung“, bemerkte Brandl. Denn die Zahl der Mehrfahrtenkarten sei nach der Preiserhöhung gesunken, es werden vermehrt Karten für gezielte Einzelfahrten gekauft. Brandl sieht hier auch einen direkten Zusammenhang mit der seit 2012 praktizierten Parkraumüberwachung: Dadurch sei die Chance auf einen Parkplatz in der Innenstadt erhöht worden – was so manchen Fahrgast vom Bus wieder auf das Auto umsteigen lasse. Als die Stadtlinie eingeführt wurde, war der Fahrpreis an den Preis für ein Parkticket gekoppelt – Brandl bedauerte, dass das nun nicht mehr der Fall sei: Der Individualverkehr sei zulasten der Stadtlinie wieder attraktiver geworden. Der Stadtwerkechef erklärte, dass die Stadtlinie als Teil des „Gesamtpakets Stadtverkehr“ gesehen werden müsse: „Sie ist Teil unseres Verkehrskonzeptes und darf nicht für sich alleine betrachtet werden.“

Lösungsvorschläge legte Brandl in seiner Analyse noch nicht vor. Allerdings prognostizierte er, dass eine weitere Erhöhung der Fahrpreise auch zu einer weiteren Reduzierung der Fahrgäste führen würde – besonders, wenn die Parkgebühren günstiger bleiben sollten. Außerdem rechnete Brandl vor, dass eine Ausdehnung der Fahrzeit in die Abendstunden – etwa im Stundentakt von 19 bis 23 Uhr – rund 160 000 Euro mehr kosten würde. Um diese Kosten zu decken, müssten 52 Prozent mehr Fahrkarten verkauft werden. Brandl verwies auf die Verkehrserhebungen im Rahmen des ISEK: Hier wurde festgestellt, dass bereits nach 19 Uhr nur noch ein sehr geringes Fahrgastaufkommen zu erwarten sei. „Eine Ausdehnung der Fahrzeiten kann somit keinen Beitrag zur wirtschaftlichen Stützung der Stadtlinie leisten, sondern würde einen Kosten- und Defizitsprung auslösen. Dies wäre unter den aktuellen und sich verschärfenden Rahmenbedingungen durch die Stadtwerke nicht leistbar.“ Brandl betonte mehrmals, dass es um die Sicherung des bestehenden Angebots gehe.

Damit stieß er im Stadtrat jedoch auf taube Ohren. Tanja Schorer-Dremel (CSU) erklärte: „Ich bezweifle diese Zahlen.“ Sie brachte den Gedanken eines Sommer- und eines Winterfahrplans mit unterschiedlichen Fahrzeiten auf. Stefan Schieren (SPD) erklärte, er halte hier ein „externes Gutachten“ für sinnvoll. Günther Köppel (FW) entgegnete, er gehe davon aus, dass eine Ausweitung der Fahrzeiten in den Abend durchaus „Potenzial“ hätte. Dem Stadtwerkechef war die Irritation angesichts dieser Skepsis, die seiner Analyse während der Sitzung entgegenschlug, durchaus deutlich anzumerken. Brandl verwies darauf, dass eine Analyse bereits ein Gutachten sei: „Diese Zahlen sind Fakten.“

Wolfgang Brandl warnte eindringlich davor, den „bestens eingeführten Halbstunden-Takt“ aufzubrechen. Schieren betonte dagegen, man müsse die „Stadtlinie völlig neu überdenken“. Und auch Rudolf Engelhard (CSU) erklärte: „Die Stadtlinie wurde 1992 eingeführt. Seitdem haben sich die gesellschaftlichen Strukturen in der Stadt komplett geändert. Dem muss die Stadtlinie Rechnung tragen.“ Der Stadtwerkechef ist nun aufgefordert, bis Jahresende „konzeptionelle Überlegungen anzustellen“.