(rl)
Stadtgeflüster vom 24. Juli 2012

23.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:15 Uhr

(rl) Kennen Sie noch das blöde Gerede, das uns in frühester Jugend immer so genervt hat? „Kind, du musst aufessen, damit’s schönes Wetter wird“, hat man uns eingebläut. Demzufolge müssen die Ingolstädter vergangene Woche kollektiv auf Nulldiät gewesen sein.

Kaum läutet die Stechuhr das Wochenende ein, ziehen die ersten Wolken auf. Regengüsse wechseln sich ab mit kaltem Ostwind, nur hin und wieder spitzt für ein paar Minuten mit hämischem Grinsen die Sonne durch. Erst am Sonntag wird’s langsam etwas besser, am Montag ist der Spuk dann endgültig vorbei. Klar, da sitzen wir ja alle wieder in der Arbeit.

Am vergangenen Wochenende war es besonders schlimm. Herzogsfest, Klassik-Open-Air im Klenzepark, Open Air in Pförring – um nur die größten Festivitäten zu nennen. In der Kupferstraße hätte auch noch die Post abgehen sollen. Aber die Outdoor-Disco-Meile wurde angesichts der Wetterprognose abgeblasen und auf Samstag verschoben.

Vielleicht wollte der Wettergott die Ingolstädter ja nur vor allzu großem Freizeitstress bewahren. Wer zum Herzogsfest wollte, dazu ein bisschen Klassik im Klenzepark genießen und den Hardrock in Pförring auch noch mitnehmen wollte, der wäre trotz aller Fähigkeit zum Multitasking an diesem Wochenende wahrscheinlich an seine Grenzen gelangt.

Über Terminorganisation lässt sich trefflich streiten. Dem Vernehmen nach arbeitet die Piratenpartei aber schon an einem Lösungsansatz. Ob die internetaffinen, aufstrebenden Jungpolitiker bereits mit einer Onlineabstimmung reagiert haben, ist nicht bekannt. Jedoch wäre die Idee, derlei Großveranstaltungen künftig online zu übertragen, durchaus eine Überlegung wert. Selbst das Wetter könnte einem dann nichts mehr anhaben.

Man stelle sich folgende Szenerie vor: Wir sitzen gemütlich mit einem Glas Rotwein auf dem bequemen Sofa im warmen Wohnzimmer, das Laptop lässig auf dem Schoß, und loggen uns ein ins Ingolstädter Historienspiel. Vom Herzogsfest surfen wir mal kurz in den Klenzepark und bemitleiden die armen Leute, die in ihren Winterjacken dastehen und besorgt zum wolkenverhangenen Himmel blicken. Wir hören das Kammerorchester Academy of St. Martin in the Fields, klicken uns angesichts der depressiv machenden Musik aber bald nach Pförring. Hier sind Menschen zu sehen, die feiern – wenn auch in Gummistiefeln. Der Fisch auf ihrem Teller sieht appetitlich aus. Vielleicht können wir uns online eine Portion bestellen. Wir hören eine halbe Stunde härtesten Hardrock, echt Luxuslärm, was da abgeht. Bis zum Feuerwerk sind wir wieder im Klenzepark.

Zum Abschluss machen wir einen kurzen virtuellen Abstecher in die Kupferstraße. Da müsste um diese Zeit eigentlich die Post abgehen. Doch oh weh: Auf dem Display erscheint: „Die gewünschte Seite ist zurzeit nicht verfügbar.“ Aber da wäre ja noch das Neuburger Open Air im Schlosshof. Reinhard Fendrich beamt uns gedanklich direkt an die Strada del Sole. Was gibt es Schöneres – bei diesem Wetter!