Stadtgeflüster vom 24. August 2011

23.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:29 Uhr

(sic) Was macht eigentlich Horst Seehofers Nokia-Handy? Sie wissen schon, das Gerät, das er vor drei Jahren aus Protest außer Dienst gestellt hat, als diese undankbaren Finnen ihr Bochumer Werk nach Rumänien verlagerten.

Das hat gesessen! Da haben sie gezittert in Espoo, Verwaltungsgemeinschaft Helsinki, dem Stammsitz der Nokianer. Da ging ein Raunen durch die Weltwirtschaft! Oder zumindest durch Bochum. Noch eindrucksvoller war nur die rebellische Geste von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner, eine gelernte Rundfunktechnikerin, die wegen datenschutzrechtlicher Bedenken der Internetgemeinde Facebook die Freundschaft aufkündigte und die übrigen 500 Millionen Mitglieder allein ließ.

Es nimmt nicht wunder, dass die Resonanz gewaltig ist, wenn CSU-Politiker demonstrativ moderner Technik entsagen, denn sie marschieren stets an der Spitze des Fortschritts. Sollte Seehofer sein Nokia-Handy also noch irgendwo haben, hätte es einen Platz im neuen Museum für bayerische Geschichte verdient. Am besten neben dem Tonbandgerät, mit dem 1976 heimlich die legendäre Wienerwald-Rede des Franz Josef Strauß mitgeschnitten wurde („Kohl wird niemals Kanzler! Er ist total unfähig!“). Eine Sternstunde der Kommunikation! Dank neuer Technik.

Begabte CSU-Politiker haben schon immer auf der Höhe der Zeit zum Volk gesprochen. Insofern war der Ingolstädter Oberbürgermeister fast ein bisschen spät dran, als er am vergangenen Freitag bei Facebook debütierte. Dafür schoss Alfred Lehmann voll durch die Decke: Ein Mitglied nach dem anderen trug ihm seine Freundschaft an, und jeden einzelnen hat der OB persönlich, wie er beteuert, bestätigt. Gestern durften sich schon fast 370 Facebook-Anhänger mit dem Gütesiegel „Freund von Alfred Lehmann“ schmücken.

Nur ein Kreis von Damen und Herren hoffte bisher vergebens: Die Ettinger Bürgerinitiative (BI) – man nennt sie auch „die Landminen von der Nordumgehung“ – warten noch. Das Facebook-Neumitglied Alfred hat auf ihre virtuelle Freundschaftsanfrage noch nicht reagiert. Aber ganz sicher nur deshalb, weil er grad mit Anträgen bombardiert wird.

An der BI Etting kann es nicht liegen. Das Bündnis hat auf Facebook zwar nur 73 Freunde – also grad ein Fünftel Lehmann – doch das wiegen Persönlichkeiten wie Christian Höbusch, der Humorbeauftragte der Grünen, locker auf. Auch der CSU-Abgeordnete Reinhard Brandl gehört zu den Facebook-Freunden der Ettinger BI. Dann kann es ja so schlimm nicht sein mit der Anarchie in diesem Dorf da. Das Neumitglied Alfred braucht also keine Angst zu haben.