Mit Fahrrad und Fähre

23.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:29 Uhr

 

Alte Bahnstrecken ziehen gerade Radfahrer fast schon magisch an.

Vornehmlich dann, wenn sie nicht mehr in Betrieb und für Drahtesel ausgebaut sind. So wie Sepp und Rita aus Ingolstadt. „Da fahrt des Radl fast von alloa“, freuen sich die beiden Rentner. Denn der erfahrene Freizeitradler weiß, dass die alten Schienenwege mit einer Steigung von höchstens vier Prozent auch ohne 24-Gang-Schaltung zu packen sind. Und genau so einen Abschnitt einer aufgelassenen Bahnlinie (Ingolstadt-Altmannstein) benutzen wir für ein Teilstück der heutigen neunten Folge des DK-Radlsommer, der uns von Münchsmünster nach Kipfenberg führt.

Doch zunächst zum Ausgangspunkt Münchsmünster: Von dort nach Pförring, der ersten Station, gibt es nur den einen Weg über die Donaubrücke. Wir fahren um die Kirche im Zentrum von Münchsmünster herum am Gasthof Rauscher vorbei und weiter nach Pförring. Radwege existieren auf diesem Abschnitt leider so gut wie keine, es geht auf der Straße lang.

Wir folgen in Pförring ein Stück der Hauptstraße, biegen links ab und fahren im weiteren Streckenverlauf durch Forchheim. Ein alter Landwirt überholt uns mit dem Traktor und feuert uns lachend an: „Trets no nei, ihr sollt auch schwitzen! I muss no dreschen!“ Die Gegend ist nach wie vor stark landwirtschaftlich geprägt, der Hopfen spielt unübersehbar eine große Rolle. Sehenswürdigkeiten gibt es (abgesehen von einigen Kirchen) allerdings keine. In freier Natur genießen wir die frische Luft und lassen Imbath und Mindelstetten hinter uns, bis wir nach Tettenagger kommen.

Am Ortsende folgen wir dem Schild nach rechts, das uns auf den Schambachtalbahnradweg führt. Bis Anfang der 70er Jahre fuhren auf dieser Trasse die Lokalzüge der Bahn. Heute ist die 45 Kilometer lange Strecke von Ingolstadt nach Riedenburg ein hervorragend ausgebauter Radweg. „Wenn’s Wetter passt, fahren mia öfters bis nach Altmannstoa“, erzählt der Sepp: „Und da kauf’ ma uns a Brotzeit“, ergänzt die Rita. Für Freizeitradler wie die beiden bietet der Weg zwei Vorteile: „Man kann immer wieder an de’ Rastplätz’ Pause macha. Und außerdem fahr’n da koane Autos.“

Bis Sandersdorf ist es nicht mehr weit. Dort fahren wir runter zum Fuß des Schlossbergs, links ein Stück weiter auf der Landshuter Straße (B 299). Hier ist große Vorsicht geboten, denn das Verkehrsaufkommen ist enorm. Nach wenigen Metern erblickt man mehrere Wegweiser für Radler. Wer will, kann jetzt noch vier Kilometer (einfach) draufpacken und einen Abstecher nach Altmannstein machen, so wie es der Sepp und die Rita tun. „Da wead Brotzeit g’macht und dann geht’s wieder heimwärts“, verabschieden sich die beiden. Wir aber folgen der Beschilderung Richtung Beilngries und radeln auf oder neben der viel befahrenen Landstraße nach Schamhaupten.

Wer sich indes nicht schon in Sandersdorf ein Päuschen und eine Brotzeit gegönnt hat, kann das in Schamhaupten nachholen. Oder mit viel Glück dort sogar den Bayerischen Ministerpräsidenten treffen, wenn er zwischen vielen Terminen und dem Regieren mal ausspannt. Horst Seehofer hat in dem kleinen Ort ein Ferienhaus, wo er im Keller seiner Leidenschaft nachgeht: Seine Modelleisenbahn mit 16 Zügen, alles computergesteuert, mit Bergen, Bäumen, Häuschen und dem Bahnhof „Schwarzburg“. Auch Karin Seehofer ist in ihrem Geburtsort Schamhaupten gut bekannt: Ihre Eltern betrieben dort früher eine kleine Brauerei.

Doch zurück zu unserer Radltour: Bei den Bassus-Stuben halten wir uns links, und schon sind wir auf dem Limes-Radweg. Wer will, kann hier einen Abstecher zum öffentlich zugänglichen Fossiliensteinbruch machen. „Den Meißel an mehreren Stellen rings um die Platten ansetzen, damit sie sich vollständig voneinander trennen. Und die Platten nicht zu sehr verkleinern“, lautet der Tipp eines erfahrenen Sammlers, der dort still und konzentriert vor sich hin werkelt. Kleine Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn, während von seinem offensichtlich großen Fossiliensammler-Wissen preisgibt: „Mit einer Lupe entdeckt man oft kleine, seltene Fossilien, die meist übersehen werden.“ Die Überreste vorzeitlicher Lebewesen liegen fast immer auf der Plattenoberfläche, oft sind sie nur von einem Kalkhäutchen bedeckt. Die Form zeichnet sich meist in der darüberliegenden dünnen Kalkschicht ab. Und ganz wichtig: „Die Platten nicht zu sehr verkleinern.“

Zurück auf dem Limesweg, folgen wir den kleinen Aufklebern an Stangen, was teilweise nicht so einfach ist. Durch Wälder und Felder geht es über Megmannsdorf, Breitenhill und Zandt nach Denkendorf, das wir auf der beschilderten Route bald wieder verlassen. Aufpassen am Ortsende von Breitenhill: Es geht steil bergab und dann links weg in einen Feldweg. Über diverse Wege gelangen wir anschließend wieder auf eine befestigte Straße, auf der wir uns links halten, bis es kurz vor Gelbelsee nach links zur Limesbuche geht. Wer will, kann unter mächtigen Bäumen rasten und das Panorama betrachten oder den Endspurt für die paar Kilometer bis Kipfenberg antreten. In Gelbelsee einfach bis zum weithin sichtbaren Funkmast fahren, wo die Route Richtung Westen führt.

Auf diesen letzten vier Kilometern nach Kipfenberg geht es am geografischen Mittelpunkt Bayerns vorbei, der übrigens erst 1979 vom Bayerischen Landesvermessungsamtes exakt bestimmt wurde. Aber Vorsicht: Das Gefälle beträgt auf diesem Teil der Strecke bis zu zwölf Prozent, und die Serpentinen sind eng. In der Ortsmitte von Kipfenberg haben wir es dann geschafft und uns redlich eine Brotzeit und ein Weizen verdient – so wie Sepp und Rita in Altmannstein. Bernhard Pehl