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Stadtgeflüster vom 17. Februar 2017

16.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:38 Uhr

(sic) Kurz vor Ostern 1981 erreichte die Gegenreformation die Grundschule Gaimersheim: Da trat ein kleiner Katholik aus der 3 c vor einen evangelischen Klassenkameraden und verkündete mit jesuitischer Strenge: "Der Herr Pfarrer hat gesagt, dass euer Luther schuld ist am Dreißigjährigen Krieg!"

Jesus, Maria und Josef! Da hatte der Herr Pfarrer - kein Jesuit und intellektuell auch sonst von eher vorkonziliarem Format - seine kleinen Schafe wirklich besonders glaubensfest auf die Erstkommunion vorbereitet. So nach dem Dogma: "Diese Ketzer! Erst die Reformation anzetteln und dann auch noch Angriffskriege führen!" Da stand er, der kleine Lutherische, und konnte nicht anders als zu protestieren: "Der Dreißigjährige Krieg ist 1618 ausgebrochen, also erst 101 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag!" Eigentlich hätte der Schüler dem irrenden Katholiken hindonnern sollen: "Es ist immer noch besser, Klöster zu brandschatzen als Ablasshandel zu betreiben!" Aber Luthers Gnadenlehre lernte er leider erst in der Fünften.

Die Grundschule Gaimersheim war damals ein' feste Burg des Katholizismus. Da konnte die einzige lutherische Religionslehrerin noch so viele schöne Bilder von Josef und seinen Brüdern ausmalen lassen. Das galt für ganz Altbayern. Die Gegenreformation hatte Land und Leute fest im Griff. Gutgläubige Katholiken dachten in den 80ern, der Begriff "Ökumene" habe etwas mit der Naturschutzbewegung zu tun ("Des kommt bestimmt von dene Grünen . . .).

Ja, Lutherische hatten es früher nicht leicht. Richtig hart war es im Gnadenthal-Gymnasium, jener auf einem Fels gebauten Bildungsstätte der Franziskanerinnen. Eine Abiturientin des Jahres 1965 - sie war die einzige Lutherische in der Klasse - erinnert sich noch gut, wie die Geschichtslehrerin Schwester Benedikta in einem Lehrbuch ein Kapitel lesen ließ, das den Titel trug: "Luther, der irrende Rufer". Da erwiderte die Protestantin trotzig: "Immer noch besser als ein rufender Irrer!"

Gottlob ist die Zeit der konfessionellen Konfrontationen vorbei. Sogar im Gnadenthal. Am heutigen Freitag begeht das Gymnasium an der Kupferstraße einen großen Erinnerungstag zum Thema "500 Jahre Reformation: Auf den Spuren von Martin Luther." Das muss man sich mal vorstellen: Das Gnadenthal-Gymnasium der Diözese Eichstätt gedenkt Luthers! Und das auch noch in ökumenischer Gemeinschaft mit der evangelischen Jugend der Gemeinde St. Matthäus. In deren Kirche findet der Gedenkgottesdienst statt. Dann präsentieren Achtklässler eine Luther-Ausstellung. Ruth und Karl-Heinz Röhlin bieten ihr Kabarett "Alles in Luther". Eine Tour-Tür-Aktion beschließt die Luther-Gala des Gnadenthals.

Im Geiste der Ökumene ist das eine schöne Geste! Und die katholischen Gnadenthaler können ihren Besuch bei den Ketzern nachher ja beichten.