(ksm)
Stadtgeflüster vom 11. Oktober 2013

10.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:34 Uhr

(ksm) Das Pendlerdasein hat schon seine Tücken. Vor allem, wenn man dazu neigt, die Nachtruhe bis zur letzten Minute auszureizen. Wie etwa unsere Praktikantin, die an der Uni nicht auf feste Arbeitszeiten vorbereitet wurde. Lieber lässt sie das Frühstück ausfallen, als sich zu früh von der Daunendecke loszureißen.

Die rund 30 Kilometer, die ihr kleines, beschauliches Heimatdorf von der gefühlten Großstadt Ingolstadt trennen, schafft sie trotzdem locker und erscheint pünktlich zur Arbeit. Doch manchmal muss man geliebte Gewohnheiten ändern – und in diesem Fall kommt der Befehl von ganz oben. Ein bundesweiter Blitzer-Marathon-Tag soll es sein. Und weil wir in Bayern Streber sind, werden an 1500 Stellen sogar eine ganze Woche lang hübsche Bilder von Temposündern geschossen.

Bevor die Studentin also am Morgen ins Auto steigt, prüft sie die tägliche Route auf eventuelle Fototermine. Nur für den Fall. Es ist ja nicht so, als würde sie grundsätzlich mit dezent überhöhter Geschwindigkeit über die Landstraßen donnern. Sie hat stets eine Weisheit ihres Fahrlehrers im Ohr: „Hundert plus Mehrwertsteuer!“, hatte er ihr einst versichert, „so schnell kannst du fahren, ohne dass man dich blitzt.“ Damals waren es allerdings noch 16 Prozent. Bloß nicht mit 19 verwechseln, sonst wird’s eng!

Der Leitsatz „Ich fahre knapp unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit“ wird zum Erstaunen unserer Praktikantin auch zum Mantra der anderen Verkehrsteilnehmer. Das hätte sie sich aber denken können! Wer will schon in die Falle tappen, wenn sämtliche Medien rund um die Uhr über die lauernde Gefahr berichten? Alle – tatsächlich, geschätzt 98 Prozent der Fahrzeuglenker – achten zum Start des Blitz-Marathons auffällig penibel auf den Stand ihres Tachozeigers. An Ampeln bleibt man schon bei Orange pflichtbewusst stehen. (Der Fahrlehrer unserer Praktikantin pflegte auch bei „Himbeerrot“ noch eine Kreuzung zur Überquerung freizugeben.) Und selbst werktägliche Sonntagsfahrer lässt man geduldig gewähren; von gewagten Überholmanövern keine Spur. Denkt denn eigentlich überhaupt niemand an die armen Polizisten, die jetzt untätig hinter Leitplanken und Bushäuschen ausharren müssen?

Umso aufmerksamer beobachten die Journalisten, was diese Woche auf – und neben – Bayerns Straßen passiert. Ein Blitz droht also auch, wenn man sich an die Regeln hält. Aber das sollte man sowieso. Grundsätzlich gilt daher: Anständig fahren und immer freundlich lächeln. Dann werden die Fotos auf jeden Fall gut.