Pfaffenhofen
Spurensuche gegen die Zeit

Das millionenschwere soziale Wohnbauprojekt an der Kellerstraße ist durch die Ausgrabung im Verzug

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr
Ausgrabung am Rande der Altstadt: In Zeichnungen werden die Schnitte der Erdbefunde genau dokumentiert, ehe die Bagger die Baugrube für das soziale Wohnbauprojekt an der Kellerstraße ausheben dürfen. Noch heuer soll die Bodenplatte fertig werden. −Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Die archäologischen Grabungen an der Kellerstraße werden sich wohl noch durch den Oktober ziehen. Für das öffentlich geförderte Wohnbauprojekt mit 36 Sozialwohnungen an dieser Stelle bedeutet das eine mehrwöchige Verzögerung. Diese soll aber wieder reingearbeitet werden.

Für den rund elf Millionen Euro teuren Neubau der Wohnraumbeschaffungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft (WBG) bedeutet die denkmalrechtlich vorgeschriebene Grabung natürlich Einschränkungen. Aber zumindest in Teilbereichen können kleinere Tiefbauarbeiten in Absprache mit den Archäologen weiterlaufen. "Im Moment verzögert sich der Zeitplan um rund vier Wochen", sagt WBG-Geschäftsführer Frank Dunkel. "Damit können wir aber leben und ich denke, dass wir diese vier Wochen wieder reinholen können." Planmäßig wolle man Ende Oktober mit dem Rohbau beginnen. Und trotz der Verzögerung: "Die Bodenplatte könnte voraussichtlich trotzdem noch heuer fertig werden - vorbehaltlich, dass das Wetter während der Grabungsarbeiten hält." Nach aktuellem Erkenntnisstand sollen die Grabungen bis Mitte oder Ende Oktober andauern, prognostiziert Dunkel. Die Kosten für Grabungen müssen übrigens Bauherren tragen, in diesem Fall die städtische Tochtergesellschaft und damit die öffentliche Hand.

Das soziale Wohnbauprojekt, das von der Regierung von Oberbayern gefördert wird, soll insgesamt 36 Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen bieten. Genauer gesagt für Mieter, die vom Landratsamt einen Wohnberechtigungsschein ausgestellt bekommen haben. Die Fertigstellung ist für 2019 geplant.

Dass auf der Baustelle archäologische Untersuchungen fällig werden, war aber relativ früh klar: "Im Zuge der umfangreichen Aushubarbeiten am Hanggrundstück sind zwischen Ende Juli und Anfang August archäologische Funde ans Licht gekommen", berichtet Dunkel. Die Arbeiten seien von Anfang an archäologisch begleitet worden. Es gebe im Sinner spektakulärer Relikte aber "keine bahnbrechenden Funde", fasst Dunkel zusammen.

Bei der Großbaustelle zwei Hausnummern weiter laufen keine archäologischen Untersuchungen - zumindest noch nicht. "Wir ziehen die Archäologen aber hinzu, sobald wir voraussichtlich Ende des Jahres mit dem eigentlichen Aushub beginnen", sagt Bauträger Hans Irchenhauser, der mit seiner Arcus Wohnbau GmbH an der Kellerstraße eine Anlage mit 18 Wohnungen, drei Ladeneinheiten und drei Büros realisiert. Er vermutet nach den Erfahrungen im Nachbargrundstück aber nicht, dass aufwendige archäologische Grabungen notwendig werden. "Was wir bis jetzt weggebaggert haben, war ja schon unterbaut", sagt Irchenhauser. Fast das ganze Areal sei in der Neuzeit schon tief unterkellert worden. Der alte Bierkeller im hinteren Bereich bleibt sogar bestehen und wurde nur verfüllt. Irchenhauser jedenfalls wäre froh, wenn ihm die Kosten und der Zeitaufwand für Grabungen erspart blieben.

Die Ausgrabungsarbeiten laufen nun erst einmal auf dem WBG-Grundstück. Die Archäologen untersuchen seit einigen Wochen die Überreste einer spätmittelalterlichen Siedlung außerhalb der damaligen westlichen Stadtmauer (siehe Kasten). Und in den vergangenen Tagen sind weitere von Menschenhand ausgehobene und später verfüllte Gruben am rückwärtigen Hang zur Thallerstraße entdeckt, untersucht und dokumentiert worden. Dutzende sind es insgesamt. Es handelt sich dabei aber nicht um Abfallgruben, in denen sich sonst oft ein interessantes Sammelsurium an Gegenständen findet. "Wie es aussieht, sind die Gruben damals relativ schnell wieder verfüllt worden", berichtet Archäologe Alexander Heckendorff und verweist auf den lehmigen Boden. "Womöglich haben sie zur Lehmentnahme verdient." Zum Bau von Fachwerkhäusern etwa. Wie berichtet deutet die Lage außerhalb der Stadtmauer daraufhin, dass die entdeckten Gebäude an der Kellerstraße einmal dem Handwerk gedient haben könnten. "Gewerbe, die nicht so angesehen, feuergefährlich oder mit Gerüchen verbunden waren, saßen oft am Rand oder außerhalb von Städten", weiß der Experte für Mittelalter und Neuzeit. Womöglich gibt es Hinweise, wenn die Gebäudereste in den kommenden Wochen genauer untersucht werden. Das gilt auch für die Datierung der Häuser. "Vielleicht findet sich eine Münze oder ein Holzrest, der sich datieren lässt."

DIE BISHERIGEN FUNDE

Das Interesse der Archäologen geweckt hat im Sommer ein dunkles Erdband im Boden, auf das der Bagger beim Aushub auf dem früheren Kellerstraßen-Parkplatz in Pfaffenhofen stieß. Zunächst wurde es für ein sogenanntes Kolluvium gehalten, also eine Schicht aus angeschwemmtem Erdreich. Doch dann tauchten über 500 Jahre alte Scherben auf - und es wurden immer mehr. Es musste also etwas anderes dahinterstecken: Das Grabungsteam trug weiter Schicht für Schicht ab und stieß auf die spätmittelalterlichen Gebäudereste.

Was Archäologen und Grabungstechniker mit Bagger, Spaten und Hacke freilegen und dokumentieren, scheint für den Laien nur Erde mit unterschiedlichen Farbnuancen zu sein. Es sind eben keine begehbaren Gebäudereste oder steinernen Fundamente, keine besonderen Artefakte, sondern sogenannte Erdbefunde: Dunkle Verfärbungen lassen die Grundrisse zweier Häuser und eines Kellers erkennen, hinzu kommen zahlreiche verfüllte Gruben.

Der frühere Parkplatz ist trotzdem ein archäologischer Leckerbissen: Denn wo in der Kernstadt durch die rege Bautätigkeit der vergangenen Jahrhunderte viele Spuren des Mittelalters unwiederbringbar zerstört wurden, blieben die Siedlungsreste im Boden dieses Handgrundstücks im Lauf der Geschichte weitestgehend unberührt. Das Besondere: "Die Befunde konzentrieren sich auf eine ganz bestimmte Zeit", sagt Grabungsleiter Colin Frank. Nach ersten Erkenntnissen sind die gefunden Keramikscherben alle spätmittelalterlich und "aus derselben 200-jährigen Zeitspanne", wie Archäologe Alexander Heckendorff erklärt. Die Ältesten datieren um 1300, die Jüngsten um 1500.

Danach wurden die Gebäude westlich der Stadtmauer offenbar aufgegeben und sie verfielen - darauf deuten gefundene Dachziegel hin. In den Überresten eines Erdkellers fanden sich außerdem Brandspuren, die ebenfalls das Ende erklären könnten. So wurden auch bei anderen Grabungen in Pfaffenhofen schon Gebäude freigelegt, die wohl während des bayerischen Städtekriegs im späten 14. Jahrhundert ein Raub der Flammen wurden.

Seit dem Spätmittelalter ist die Fläche an der Kellerstraße jedenfalls weitestgehend brachgelegen, erklärt Colin Frank mit Verweis auf eine historische Landkarte. Das änderte sich erst mit den neuzeitlichen Bierkellern, die der heutigen Kellerstraße ihren Namen gaben - und bei deren Bau sich wohl niemand um mögliche Bodendenkmäler scherte. Am Rand des Areals findet sich so ein Bierkeller, der einer ersten Schätzung nach schon im 18. Jahrhundert entstanden sein könnte, der aber immer wieder modernisiert wurde. | mck