Sprechverbot für Gabriel

Kommentar

25.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Die wichtigste Aufgabe eines Außenministers ist es, mit anderen Regierungen im Gespräch zu bleiben, auch wenn dieses Gespräch weder angenehm noch vielversprechend ist. So gesehen ging Sigmar Gabriels Antrittsbesuch in Israel gestern gründlich daneben.

Schließlich hätte der Sozialdemokrat den vereinbarten Gedankenaustausch mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu durchaus retten können. Er hätte sich nur dessen Willen beugen müssen, indem er das Zusammentreffen mit israelischen Kritikern der Besatzungs- und Siedlungspolitik platzen lässt.

Signale dafür, dass Netanjahu solche Begegnungen gar nicht schätzt, gab es genügend. Laut dem israelischen TV-Sender Channel 2 hat der Regierungschef Gabriel offen vor die Wahl gestellt, sich mit den Menschenrechtlern zu treffen oder mit ihm. Beides gehe nicht.

Aus Sicht der israelischen Regierung ist das verständlich, sie bezeichnet ebenso wie viele stramm rechts gerichtete Gruppen die Organisationen "B'Tselem" und "Breaking the Silence" als "anti-israelisch" und "Verräter", die nur im Sinn hätten, Israel zu verleumden und zu bekämpfen. Tatsächlich setzen sich beide Organisationen für eine Versöhnung mit den Palästinensern ein, stellen sich gegen die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und prangern fortlaufend schwere und schwerste Übergriffe des israelischen Militärs an.

Damit stören sie empfindlich die offizielle Selbstdarstellung, nach der ein menschenfreundliches und friedliches Israel unversehens in das Visier von Terroristen geraten ist und sich jetzt seiner Haut wehren muss. Alles, was dieses Bild stört - und sei es noch so berechtigt -, gilt nicht nur als regierungskritisch, sondern als staatsfeindlich.

Dieses Spiel wollte Gabriel nicht mitmachen und hat das Sprechverbot mit Menschenrechtlern ignoriert. Völlig zu Recht, denn Israel ist eben mehr als Netanjahu, Ultranationalisten und militante Siedler. Von denen ist absolut nichts zu erwarten, was ein friedliches Miteinander von Palästinensern und Israelis ermöglichen könnte, sondern nur immer neue Gewalt und Gegengewalt. Damit schüren sie den Nahostkonflikt, statt für eine Lösung zu arbeiten. Dennoch war der Bundesaußenminister bereit, sich auch mit dieser Seite auseinanderzusetzen und zu sprechen. Dass Netanjahu ihm das gestern mit dem Affront einer beleidigenden Ausladung erspart hat, wird Gabriel sicher nicht in Trauer stürzen.