Hilpoltstein
Spaßmacher brachten Strauß in Rage

In der TV-Satire Scheibenwischer knöpften sich Polt und Hildebrandt schon 1982 den Bau des Main-Donau-Kanals vor

21.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:41 Uhr

„Politische Giftmischer“: Die TV-Satire Scheibenwischer mit Gisela Schneeberger (von links), Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt über den Bau des Main-Donau-Kanals sorgte beim damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß für helle Empörung - Foto: Youtube

Hilpoltstein (rat) Zugegeben unfreiwillig haben die Erbauer des Main-Donau-Kanals für einen Höhepunkt der sonst häufig so armseligen Satirekunst in Deutschland gesorgt. Am 14. Januar 1982 strahlte der Sender Freies Berlin (SFB) im Ersten, das damals noch altväterlich ARD hieß, eine Sendung aus der Reihe Scheibenwischer aus. Darin knöpften sich Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt und Gisela Schneeberger gna-denlos eine „Schild-bürger-Initiative“ namens Rhein-Main-Donau AG samt deren politischer Steigbügelhalter vor. „Unser Rhein-Main-Donau-Kanal“ lau-tete der harmlose Titel der knapp 45-minütigen TV-Satire. Die Kritiker in den Feuilletons jubelten, die Nation klopfte sich kollektiv auf die Schenkel – nur die CSU-Granden in der bayerischen Staatskanzlei heulten beleidigt auf.

Ministerpräsident Franz Josef Strauß tobte. Denn seine christ-sozialen Kanalbejubler wurden von den drei Kabarettisten erstens unbarmherzig veräppelt und zweitens unumwunden der passiven Bestechung bezichtigt. Der weiß-blaue Landesherr reagierte gewohnt wortgewaltig und ließ eine Schimpfkanonade auf die Spaßmacher niederprasseln: „Skandalös und unerträglich“, „politische Giftmischerei“ sowie „verleumderische und bösartige Ehrabschneidung“ waren noch die harmloseren Formulierungen.

Dass Gisela Schneeberger in der Rolle einer wuseligen RMD-Sekretärin fröhlich Schecks verteilte, war aber so weit auch wieder nicht entfernt von der Realität. Immerhin saßen Ex-Landesvater Alfons Goppel und drei Staatsminister im Aufsichtsrat der RMD AG. Ob die Herrschaften diese schwere Bürde für Gotteslohn hatten schultern müssen?

Jedenfalls war den schwarzen Kanalarbeitern das Lachen vergangen, obwohl Hildebrandt Brillanz und Biss bewies. Karl der Große habe das Jahrtausendprojekt vor 1000 Jahren schon aufgegeben – „wegen Verdachts auf groben Unfug“. Zum geflügelten Wort wurde der Kalauer: „In Hamburg sagt man ,Schiff ahoi’ – in Nürnberg wird man sagen ,Hoi a Schiff’.“ Die milliardenteure Wasserstraße als „Alfons-Goppel-Prestige-Tümpel“ und das Altmühltal als „lästiges Erholungsgebiet“ zu diffamieren, war zuvor noch niemandem eingefallen.

Auch Gerhard Polt hatte als Dr. Schwamm, umtriebiger PR-Chef der RMD AG, die Lacher auf seiner Seite: „Schaun Sie sich doch nur dieses Altmühltal an. Der Fluss mäandert doch. Der bewegt sich wie er will. Und darum wird er begradigt.“

Nach der Sendung war der Bau des Main-Donau-Kanals Tagesgespräch in Deutschland. Ein TV-Ulk hatte der größten Baustelle der alten Bundesrepublik die Publicity beschert, welche die Buddel-Befürworter sich nie gewünscht hatten. Aufgrund des enormen Nachhalls wurde die Scheibenwischer-Folge ein Jahr später sogar als Taschenbuch herausgebracht. Das Vorwort hatte Volker Hauff (SPD) geschrieben, der bis zum Bonner Machtwechsel 1982 als Bundesverkehrsminister amtierte. Hauff wiederholte seinen Vorwurf, dass es sich beim Main-Donau-Kanal um „das so ziemlich dümmste Bauwerk seit dem Turmbau zu Babel“ handle. Das einzige Argument, das für die Fertigstellung spreche, bestehe darin, dass man damit begonnen habe. In seiner Rolle als PR-Chef der RMD AG hatte Polt aber einen noch triftigeren Grund pro Vollendung parat: „Wenn Vögel und Frösche aussterben, rücken andere Arten nach: Der Kanalratz – nur an Kanälen anzutreffen!“