Schrobenhausen
Spannender als die Panama Papers

06.04.2016 | Stand 02.12.2020, 20:00 Uhr
Zwei Männer, vier Majestäten: Kartoffelkönigin Marina (v.l.), Weizenkönigin Maria, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Weinkönigin Christina, Spargelkönigin Martina und Erzeugerverbandschef Josef Plöckl stellen sich den Fotografen. −Foto: Hofmann

Schrobenhausen (SZ) Wenn von Ministerhand der erste Spargel der Saison gestochen wird, lassen Journalisten alle Panama Papers liegen und eilen zum Viktualienmarkt. Die Schrobenhausener Zeitung war dabei - und hat ein Leak entdeckt.

Natürlich, es sind Prototypen, die da seit vorgestern am Rande des Münchner Viktualienmarkts stehen. Darum heißt an den Infosäulen des neuen Fußgängerleitsystems der bayerischen Landeshauptstadt zum Beispiel die Reichenbachstraße auch noch Reichsbachstraße. Und darum kennen sie den „Spargelsaisoneröffnungsplatz“ auch noch nicht oder den „Plöckl, Josef“. Da hilft nicht mal Bluetooth oder Wifi. Doch wer die Schrobenhausener sucht, muss ja zum Glück nur seinen Ohren folgen. Denn da, wo gar zünftig aufgspielt wird, da sind sie, die Hohenwarter Musebuam. Und da ist auch der Plöckl-Sepp nicht weit. Und Spargelkönigin Martina. Echte Typen – keine Prototypen.

Wie jedes Jahr, wenn der Frühling die ersten zarten Knospen sprießen lässt, sind sie ausgezogen, um den Münchnern zu verkünden, dass es wieder Spargel zu kaufen gibt, dass dieses „Edelgemüse“ so was von gesund sei und, hihi, Hand vorgehalten, sich auch durchaus positiv auf die Libido auswirke. Auf dass das auch Restbayern erfahre, haben der Plöckl-Sepp und seine Leute so ziemlich jedes Presseorgan eingeladen, das ihnen bekannt war, und deshalb gehört an diesem Mittwochmorgen auch ein Großteil der Kameras auf dem Viktualienmarkt nicht japanischen Touristen, sondern Medienvertretern. Damit die in Scharen kommen, haben sich die Spargelpflanzer auch nicht lumpen lassen und ein paar Promis organisiert: Den Bürgermeister Karlheinz Stephan zum Beispiel, den Landrat Martin Wolf, den Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl, den Sternekoch Hans Haas (der allerdings nicht nur repräsentiert, sondern auch fleißig Spargelschmankerln zubereitet), den Staatsminister Helmut Brunner und vier Produktköniginnen. Vier! Neben Spargelkönigin Martina sind das Weinkönigin Christina, Kartoffelkönigin Marina und Weizenkönigin Maria. So viel Majestät war noch nie.

So viel Regen allerdings auch noch nicht. Wobei natürlich der Schrobenhausener Spargelbauer genauso gut wie der Münchner Meteorologe weiß: Der Regen gehört zum Frühling einfach dazu. Schließlich besteht ja auch so ein Spargelstangerl zum größten Teil aus Wasser (das bekanntlich, wenn man es lässt, ganz speziell riecht, aber das wird tatsächlich von keinem der Offiziellen angesprochen). Und wo soll dieses Wasser herkommen, wenn nicht von oben? Eben.

Dumm ist nur, wenn’s in den Wein regnet. Oder in die Spargelsuppe. Oder auf den Teller mit Spargelquiche, mariniertem Spargel und gebeiztem Lachs. Dank Spargelverband, Landfrauen, Staatlichem Hofkeller Würzburg und Hans Haas ist an Gaumenfreuden kein Mangel, da kann sich wirklich niemand beklagen. Nur die Hohenwarter Musebuam sind ein wenig enttäuscht – es sind kaum Touristen da, die sich mit ihnen fotografieren lassen wollen, und drum gibt’s diesmal auch keine Bussis von jungen japanischen Damen. Dafür regnet es in die Blechblasinstrumente rein. Fast erstaunlich, dass die Tuba nicht gurgelt, wenn sie gespielt wird. Sie sind eben echte Könner, die Hohenwarter, und bei Sonnenschein Musik machen kann ja eh jeder.

Unter den unter Regenschirmen versammelten Presseleuten steigt inzwischen die Nervosität, denn Minister, Königinnen und natürlich Plöckl-Sepp bewegen sich zum Bifang hin. Wobei es, am Rande bemerkt, ja geradezu erstaunlich ist, dass man in diesen Tagen in München noch so viele Journalisten mit ein paar Spargelstangen begeistern kann. Wenn nichts geleakt wird, kann man die doch gar nicht mehr hinter ihrem Redaktionsofen hervorlocken, möchte man meinen. Denn derzeit sind doch alle mit Recherchen zu Offshore-Firmen in Panama beschäftigt. Noch ist nicht bekannt geworden, ob auch Spargelbauern unter den Schlingeln sind, die sich solche Offshore-Firmen haben machen lassen. Wenn man die Preise im Hofverkauf im Schrobenhausener Land mit denen auf dem Viktualienmarkt vergleicht, kommt man eh zu dem Schluss, dass wenn, dann der eine oder andere Standlbetreiber so eine Offshore-Firma ganz gut brauchen könnte, um seine Gemüsehändlerdollar zu parken. Im Übrigen ist eine Offshore-Firma in Panama ja leichter zu gründen als, sagen wir mal, ein neuer Spargelbetrieb Off Aresing – aber das soll hier nicht das Thema sein, ist ja auch nicht jedem seine Sache.

Am Spargelbifang – der ist bekanntlich auch auf dem Münchner Viktualienmarkt nur echt, wenn er aus Schrobenhausener Erde besteht – wird inzwischen gebuddelt. Erst einmal grazil und zielgerichtet: Das ist Spargelkönigin Martina Reichhold, die auch gleich das erste Stangerl herauszieht. Dann unschlüssig, aber auch deutlich grober: Das ist Minister Helmut Brunner, für den Spargelguru Peter Strobl vom Erzeugerverband selbstverständlich auch etwas in dem Baatz, zu dem die Schrobenhausener Erde dank Regen inzwischen geworden ist, versteckt hat.

Und als Brunner im Bifang wütet, ist es endlich da: das Leak. Von keinem der Journalisten aus der Landeshauptstadt bemerkt, exklusiv in der Schrobenhausener Zeitung: Da ist Erde auf den Ministerschuhen – der Bifang hat ganz offenbar ein Leck bekommen, er leakt also sozusagen. Brunner tut so, als wäre er's nicht gewesen, und wäscht sich die Hände zwar nicht in Unschuld, aber im von Peter Strobl gereichten Eimer mit Wasser (offenbar nicht Schrobenhausener, sondern Münchner Herkunft). Stellt sich nur noch die Frage: Warum haben die Musebuam keinen Whistleblower?