Ingolstadt
Soziales Engagement und ökonomischer Nutzen

30.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:27 Uhr

Diskussion über Corporate Social Responsibility: René Schmidpeter von der Bertelsmann Stiftung, André Habisch von der Katholischen Universität Eichstätt, Audi-Personalvorstand Werner Widuckel und Gabriel Engert, Kulturreferent der Stadt Ingolstadt (von links). Thomas Doyé, Vizepräsident der Hochschule Ingolstadt, moderierte. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Laut einer Studie des Allensbach Instituts haben immer weniger Menschen Vertrauen in die Wirtschaft: So sagten 73 Prozent der befragten Deutschen, dass sie den Unternehmen weniger vertrauen würden als im vergangenen Jahr. Bei einer Frage zur Reputation der Manager waren 79 Prozent der Meinung, deren Ruf hätte Schaden genommen. Die häufigsten Begriffsassoziationen, die den Befragten zum Thema Manager einfielen, waren die Worte Gier, Rücksichtslosigkeit und Egoismus.

"Die Krise hat die Welt verändert", sagt René Schmidpeter, Project Manager im Programm "Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen” der Bertelsmann Stiftung. Bei seinem Impulsreferat an der Hochschule Ingolstadt machte er mit den Zahlen aus Allensbach deutlich, wie wichtig es gerade in diesen Zeiten für die Wirtschaft sei, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.

Nutzen für alle Beteiligten

Gelingen kann das mit dem Konzept des "Corporate Social Responsibility", kurz CSR. Es stand im Mittelpunkt des Hochschul-Forums an dem neben Schmidpeter auch Werner Widuckel, Personalvorstand bei Audi, André Habisch, Professor für Christliche Sozialethik und Gesellschaftspolitik an der Katholischen Universität Eichstätt, sowie Gabriel Engert, Kulturreferent der Stadt Ingolstadt, teil nahmen.

CSR bedeutet, dass Unternehmen freiwillig Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen. Dieses Engagement geschieht weder aus selbstlosem Handeln noch um des Profits willen. Im Mittelpunkt soll der Nutzen für alle Beteiligten stehen. Konkret: Eine Firma setzt sich für ein soziales, kulturelles oder umweltschützendes Projekt ein, im Gegenzug erfährt ihre Anerkennung in der Gesellschaft Aufschwung. Dies stärkt wiederum die ganze Region. Die Hochschule bietet seit diesem Wintersemester sogar ein MBA-Studium mit dem Schwerpunkt "Corporate Social Responsibility" an.

Bertelsmann hat 2007 die Initiative "Unternehmen für die Region" ins Leben gerufen. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen sichtbar zu machen, Vorbilder aufzuzeigen und zur Nachahmung anzuregen. Ein Beispiel ist die Kooperation zwischen dem Malerwerkzeughersteller Ciret in Wangen im Allgäu und der St. Gallus-Hilfe für behinderte Menschen, die es 72 behinderten Menschen ermöglicht, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Oder der Turkish Round Table in Heilbronn, bei dem türkischstämmige Unternehmer und Akademiker Kindern mit türkischem Migrationshintergrund Förderunterricht anbieten.

Aber auch in der Region 10 gibt es genügend Beispiele. Gabriel Engert nennt die Initiative Regionalmanagement (Irma), der nicht nur die Stadt Ingolstadt, die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen, Eichstätt und Pfaffenhofen angehören, sondern ebenso zahlreiche Firmen. Irma unterstützt unter anderem die Internationale Schule Ingolstadt. Partner aus der Wirtschaft haben auch die Lebenshilfe, einige Kindertagesstätten und Schulen sowie zahlreiche Kultur- und Sportveranstaltungen. Ein wichtiger Punkt bei der Podiumsdiskussion war schließlich die Frage, wie weit die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens eigentlich gehen solle. So berichtete Werner Widuckel etwa von Audis freiwilligem Gesundheits-Check-up für die Mitarbeiter, der im Gegensatz zu sonstigen Vorsorgeuntersuchungen hervorragend angenommen würde. Der Grund: Die Mitarbeiter müssten keine Praxisgebühr zahlen, hätten keine langen Wartezeiten und bekämen eine volle halbe Stunde Gesprächszeit mit dem Arzt. "So etwas habe ich im Gesundheitssystem nicht", rief Widuckel. "Der Staat zieht sich hier aus seiner Verantwortung zurück."

Einen ähnlichen Sachverhalt schilderte Gabriel Engert bei der Einrichtung der Internationale Schule. "Wir haben uns zwei Jahre lang um die Lösung einer öffentlichen Schule bemüht", erklärte Engert. Doch alle Diskussionen mit dem Kultusministerium seien ins Leere verlaufen. "Erst dann haben wir uns entschlossen, privaten Betreibern den Weg zu ebnen", so der Kulturreferent.

Erfolgsstory duales System

Den Ersatz von öffentlichen Leistungen durch Unternehmen wies Wirtschaftsethiker Habisch zurück. "Wir geben Impulse", das heißt, das Projekt einer Firma solle nicht stellvertretend für etwas sein, sondern ergänzen. Die größte Erfolgsstory sei für ihn die Einführung der dualen Ausbildung, die Deutschland eine der niedrigsten Jugendarbeitslosenquoten Europas beschere. "Hier wurden die Unternehmen von Anfang an als eine Säule des Systems ins Boot geholt", sagte Habisch. Damit sei endlich eine Verschränkung von Schule und Beruf gelungen. "Das war eine enorme gesellschaftspolitische Leistung."