Ingolstadt
"Sieg Heil"-Rufe im vollbesetzten Biergarten

Junger Kraftfahrer kommt nach Ausraster auf dem Herbstfest mit Geldstrafe davon

06.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:19 Uhr

Ingolstadt (DK) Ist er nun als mutmaßliche Stütze der Gesellschaft irgendwann falsch rechts abgebogen?

Oder hat er als Mann ohne Einkommen einen Rückfall in angeblich längst vergessene Zeiten erlebt? Aus einem 23-Jährigen aus Ingolstadt wird man nicht ganz schlau. Auf alle Fälle bekam es der junge Mann auf dem Ingolstädter Herbstfest völlig zurecht zunächst mit der Polizei und jetzt mit dem Amtsgericht zutun, weil er sich massiv daneben benommen hat. Ein Beamter glaubte gar nicht recht zu hören, was der 23-Jährige da im vollbesetzten Biergarten eines der Festzelte von sich gab. Gebrüllt habe der Mann und "sehr für Aufsehen gesorgt", so der Kommissar der hiesigen Inspektion, der an jenem Abend eingeschritten war. Immerhin hatte der Angeklagte damals offenbar gleich mehrfach lauthals "Sieg Heil" geblökt.

"Ich habe ihn dann angestupst und zur Seite genommen", berichtete der Polizist von den weiteren Ereignissen. Der brüllende Kraftfahrer war dabei nur ein Zufallstreffer, denn eigentlich waren die Beamten hinter ganz jemand anderes her: Sie holten einen mutmaßlich Beteiligten an einer körperlichen Auseinandersetzung mitten aus dem Festzelt. "Das war voll und Stimmung gerade so auf dem Höhepunkt", so der Polizist. Alles also keine einfache Umgebung für einen Einsatz. Auf dem Weg nach draußen fiel dann auch noch der brüllende Mann auf. "Der hat uns aber nicht bemerkt", sagte der Polizist - was nicht ganz unwichtig ist, da ein verbotener Ruf aus dem rechten Jargon gezielt in Richtung von Staatsbediensteten natürlich noch einmal eine ganz andere Nummer ist als ohnehin schon.

"Er hat es kapiert", meinte der Polizist noch zu seiner kurzen Unterhaltung mit dem 23-Jährigen, als er ihn zur Seite genommen hatte. Das war ebenfalls eine ziemlich interessante Information für Amtsrichter Peter Hufnagl. Der Angeklagte war also offenkundig noch Herr seiner Sinne. Die Polizei stellte damals (per Atemalkoholtest) rund zwei Promille bei ihm fest.

Tatsächlich berief sich der 23-Jährige auf seine Alkoholisierung. Er wisse nicht mehr, wieso und warum er ausfällig geworden sei. "Einfach so" - weil er eben besoffen war. Er habe "gebechert, bis er nicht mehr nachgedacht hat", sagte Verteidiger Norbert Feldmeier. Sein Mandant bedauere den Ausspruch - wobei dieser sich selbst nicht dazu äußerte. "Er ist ja eigentlich auf dem richtigen Weg", sagte Feldmeier. Von der rechten Szene, zu der er früher offenbar Kontakt gehabt habe, habe sich der Ingolstädter gelöst.

Ob das mit der politischen Einstellung nun nur ein Lippenbekenntnis oder wahr ist, das musste Richter Hufnagl natürlich offenlassen. "In den Kopf kann man niemandem schauen. " Allerdings: "Es heißt oft, im Suff kommt der wahre Charakter durch", fügte Hufnagl an. Falls dem so sei: "Vielleicht sollten Sie die Sauferei sein lassen, gerade als Berufskraftfahrer. " Bis Juli übte der 23-Jährige diesen Beruf aus, jetzt macht er den Meister und ist ohne Einkommen.

Weit wichtiger für die Frage der Strafe war aber, dass er unter offener Bewährung stand. Für den "Bewährungsversager" forderte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft deshalb eine sechsmonatige Gefängnisstrafe - ohne Bewährung. Richter Hufnagl beließ es aber bei einer Geldstrafe (90 Tagessätze zu je 10 Euro, also 900 Euro). Die vorherige Verurteilung habe aus "einer hochemotionalen Situation" hergerührt. Damals war dem Mann und seiner Lebensgefährtin die vier Monate alte Tochter wegen Kindeswohlgefährdung vom Jugendamt mithilfe der Polizei weggenommen worden. Dabei hatte der 23-Jährige die Polizisten attackiert. Zum Kind, das in einer Pflegefamilie lebt, und auch zur Kindsmutter gebe es keinerlei Kontakt mehr.

Christian Rehberger