Sieg für die Freundschaft

25.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:48 Uhr

Bangen und Hoffen hieß es für die Anhänger des türkischen Teams, das sich nach grandiosem Kampf geschlagen geben musste. - Foto: baj

Eichstätt (EK) Die Straßen waren gestern Abend wie leer gefegt. Alle, auch Fußballmuffel, schauten das Spiel Deutschlang gegen die Türkei an. Während sich die deutschen Fans in den diversen Kneipen trafen, kamen die türkischen Fußballfreunde auf dem Gelände der Moschee in Eichstätt zusammen.

"Wer soll am Ende gewinnen", fragt Birol Günay vom Türkisch-Deutschen Kulturverein in die Runde. Er gibt selbst die Antwort: "Die Freundschaft soll gewinnen." Die Umstehenden nicken. Die türkischen Mitbürger stehen zwar fast geschlossen hinter ihrer Mannschaft, doch der ein oder andere drückt auch der deutschen Mannschaft die Daumen. Von manchen Autos wehen sowohl Halbmond und Stern als auch schwarz-rot-gold. Männer und Frauen sehen getrennt fern. Die Männer – rund 100 werden es sein – im großen Dachraum über der Moschee, und die Frauen und Mädchen, die nicht weniger Köpfe zählen, im Café neben der Moschee. Mit Leidenschaft sind alle bei der Sache. Aber als gute Sportsfreunde erheben sie sich auch bei der deutschen Nationalhymne und klatschen den Worten Ballacks bei der Eröffnung höflich Beifall. Dann ist der Ball im Spiel. Teller mit Sonnenblumenkernen gehen herum, und bald erfüllt ein Knacken den großen Raum. Alkohol gibt es keinen; die Männer trinken Limo. Mittels Beamer wird ein riesiges Bild vom Geschehen an die Wand geworfen. Die Aktionen ihrer Mannschaft werden frenetisch bejubelt und beim Führungstreffer fallen die Männer in einen unbeschreiblichen Taumel, der sich jäh wendet, als Gleichstand erzielt wird. Längst sind die Sonnenblumenkerne vergessen.

Auch die zweite Halbzeit stürzt die türkischen Fans in ein Wechselbad der Gefühle. Gedrückte Stimmung nach dem deutschen Führungstor, Hexenkessel nach dem Ausgleich kurz vor Schluss. Die Menschen tanzen auf den Tischen. Wird ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht wahr? Das 3 : 2 löst lähmendes Entsetzen aus. Noch vor dem Schlusspfiff verlassen viele den Saal. Niedergeschlagen, doch stolz, dass ihre Mannschaft zu den vier besten gehört, gehen die Fans nach Hause – oder feiern mit ihren deutschen Freunden.