Regensburg
"Sie wollen meinen Mandanten vernichten"

Verteidiger des suspendierten Regensburger OBs Wolbergs erhebt Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft - und fordert Freispruch

20.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:05 Uhr
Der Prozess gegen Joachim Wolbergs in Regensburgs geht dem Ende entgegen. −Foto: Weigel/dpa

Regensburg (DK) Seine hohe Stirn ist in Falten gelegt.

Stundenlang beobachtet Joachim Wolbergs, ob sich eine Miene regt bei der Frau, die gegen ihn zweieinhalb Jahre lang hauptsächlich ermittelte. Doch es regt sich nichts, Staatsamwältin Christine Ernstberger blickt einfach nur in ihren Laptop.

Mit dem Plädoyer seines Verteidigers Peter Witting geht der Prozess gegen Wolbergs in den Endspurt. "Das ist doch Wahnsinn! Was passiert hier eigentlich? " Mit diesen Worten zitiert der Münchner Strafverteidiger den suspendierten Oberbürgermeister gleich mehrere Male in seinem Plädoyer. Witting schildert die Perspektive des ehemaligen SPD-Politikers, der die Wahl 2014 mit 70 Prozent der Stimmen in Regensburg gewonnen hatte. Der Jurist zeichnet das Bild einer Staatsanwaltschaft, die in Jagdstimmung war, von Ermittlern, die ihm von Anfang an Lüge unterstellten und von einem Ermittlungsrichter, der Wolbergs ins Gesicht sagte: "Ich glaube Ihnen nicht! "

Harte Vorwürfe formulierte Witting auch in Richtung Staatsanwaltschaft. "Sie glauben fest, hier sitzt ein korrupter Politiker. Aber mit Glaubensfragen sind sie in der Theologie besser aufgehoben. " Sein Mandat habe "sich hier ausgezogen. Er hat nicht einmal mehr die Unterhose an. " In der Tat steht Wolbergs finanziell vor einem Scherbenhaufen, das Verfahren kostete ihn bislang 300000 Euro. "Aber das ist ja egal", sagte Witting im Hinblick darauf, dass der suspendierte Oberbürgermeister auch im Falle eines Freispruchs keinen Cent für die Anwaltskosten wieder bekommen würde. Die Staatsanwaltschaft habe laut Witting ohnehin von Anfang an nur ein Ziel verfolgt: "Sie wollen meinen Mandanten vernichten. " In Richtung von Christine Ernstberger und Ingrid Wein, die im Prozess die Anklage vertreten, wurde der Wahlverteidiger Wolbergs' zwischendurch auch richtig laut: "Sie haben vier Jahre und sechs Monate gefordert. Das wird an Herrn Wolbergs hängenbleiben, das wird der nie wieder los", schimpfte Witting. Drei weitere Verfahren stehen gegen Wolbergs noch bevor. "Wo soll das enden? Sie müssen am Ende noch Sicherungsverwahrung fordern", spitzte Witting zu.

Massive Vorwürfe formulierte er auch bezüglich der Taktik der Staatsanwaltschaft, die Verfahren aufzuteilen: "Herr Wolberg ist wie die berühmte Sau durchs Dorf getrieben worden. " Doch das sei noch nicht das Ende der Fahnenstange: "Wann das vorbei ist? Da vergehen noch ein paar Jahre. In fünf? Vielleicht! "

Wolbergs muss sich seit vergangenem Herbst vor dem Landgericht wegen Vorteilsannahme und Verstoßes gegen das Parteiengesetz verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm zudem Bestechlichkeit vorgeworfen und viereinhalb Jahre Haft gefordert.

"Damit das klar ist: Ich fordere den Freispruch für meinen Mandanten in allen Anklagepunkten", betonte Witting. Dieser Satz fällt irgendwo zwischen dem Komplex über die Vergabe des Nibelungenareals an den Bauunternehmer Volker Tretzel und dem Anklagepunkt zu einer Kapitalerhöhung beim Fußballclub Jahn, mit der Tretzel Wolbergs bestochen haben soll. Man spürt, dass zumindest eine Taktik der Staatsanwaltschaft voll aufgegangen ist: Der Wust an Vorwürfen führt dazu, dass man sich schnell im Komplex "Spendenaffäre" verliert.

Beide - der Angeklagte Wolbergs wie die Staatsanwältin Ernstberger - nehmen auch dies regungslos zur Kenntnis. Am Donnerstag will Wittig seinen Schlussvortrag abschließen, unter anderem mit dem Anklagepunkt der Parteispenden.

Christian Eckl