Ingolstadt
"Sie saßen am Boden und haben geweint"

Opfer vernommen: Wohnhaus-Überfall am Freitag im Mittelpunkt des Prozesses gegen drei Albaner

18.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:04 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: Uli Deck/dpa-Archiv

Ingolstadt (DK) Im Schutz einer Wohnung doch nicht sicher zu sein, sich vielmehr plötzlich zwei mit einem Messer bewaffneten Männern gegenüberzusehen - das möchte niemand erleben.

Dennoch ist es zwei Frauen im vergangenen Februar in einem Einfamilienhaus an der Gerolfinger Straße so ergangen. Sie wurden Opfer eines Räuberduos, das ihnen Geld und Schmuck abnahm und sie eingeschüchtert und verängstigt zurückließ.

Dieser wahrlich nicht alltägliche Kriminalfall wird derzeit am Landgericht verhandelt. Wie bereits am vergangenen Dienstag berichtet, läuft dort vor der 2. Jugendkammer das Strafverfahren gegen insgesamt drei Albaner, die wegen mehrerer Raubdelikte angeklagt sind - darunter auch die beiden Tankstellenüberfälle an der Lena-Christ- und an der Schillerstraße, ebenfalls vom Februar datierend. Gegen den ältesten der drei Männer, 24 Jahre alt, wurde beim Fortsetzungstermin am Freitag der Anklagepunkt der Beteiligung am Wohnhausüberfall allerdings fallen gelassen. Für seine Mittäterschaft haben sich in der Beweisaufnahme keine wirklich belastbaren Indizien geschweige denn Beweise gefunden.

Am zweiten Verhandlungstag stand der Vorfall an der Gerolfinger Straße im Mittelpunkt. Das Gericht hörte die dort am 11. Februar überfallenen Frauen - die inzwischen 17-jährige Tochter der Eigentümer und eine 58-jährige Bekannte und Hilfskraft der Familie - als Zeugen an. Auch der Vater der jungen Frau, der als Erster von dem Überfall unterrichtet worden war, sagte aus. Er habe seine Tochter und die Bekannte, die sich an diesem Tag wieder einmal um die Hunde der Familie gekümmert hatte, wenige Minuten nach dem Vorfall daheim völlig aufgelöst vorgefunden: "Sie saßen am Boden und haben geweint. "

Die beiden Überfallopfer hätten ihn zunächst gebeten, nicht die Polizei zu rufen, weil die Täter ihnen gedroht hätten, sie würden dann zurückkommen und sie umbringen, schilderte der Mann die damalige Situation. Die 58-jährige Frau zeigte als Zeugin die unmissverständliche Geste, die einer der Täter ihr gegenüber gemacht hatte: Man werde ihr den Hals durchschneiden, wurde da angeblich mit einer flinken Handbewegung bedeutet.

Bizarrerweise hatten sich die Täter dann bei beiden Frauen noch mit Küssen auf Hals und Mund verabschiedet. Diese Kuriosität war allerdings ein "gefundenes Fressen" für die Spurensicherung der Polizei: DNA-Analysen deuteten klar auf die beiden jetzt 19 und 20 Jahre alten Männer auf der Anklagebank. Sie haben ihren Überfall zum Prozessauftakt ja auch bereits gestanden.

In dem Wohnhaus hatten die Täter Bargeld und Schmuck sowie eine 4500 Euro teure Herrenarmbanduhr erbeutet. Der Tochter des Hauses hatten sie 100 Euro und ihre Halskette abgenommen, der 58-jährigen 80 Euro, zwei Ringe und ebenfalls eine Kette geraubt. Dass sie Schmuck und Uhr wenig später am Ingolstädter Hauptbahnhof für 300 Euro bei einem ihnen angeblich unbekannten Aufkäufer eingetauscht hatten, zeigt die Kopflosigkeit der Täter, die wohl auch bei den Tankstellenüberfällen nicht gerade professionell vorgegangen sind. Wie berichtet, hatten sie ihre Taten mit ihrer angeblich so prekären finanziellen Situation erklärt.

Allerdings dürften es die beiden jüngeren Angeklagten schwer haben, beim Gericht mit ihrer bisherigen Version vom Wohnhaus-Überfall durchzudringen. Sie hatten im Prozess erklärt, das Objekt mehr zufällig ausgesucht zu haben. Sie hätten angenommen, so ihre Einlassung, dass zum Tatzeitpunkt niemand zu Hause sei und versucht, mit dem mitgeführten Küchenmesser (Klingenlänge ca. 20 Zentimeter) die Eingangstür zu öffnen. Dabei habe man unabsichtlich den Klingelknopf betätigt und sei erst bei Öffnung der Tür durch die Tochter der Hausherren auf den Überfall umgeschwenkt.

An der Tür fanden sich allerdings laut Hauseigentümer und auch den Spurenexperten der Polizei zufolge keinerlei Hinweise auf einen versuchten Einbruch. Die Raubopfer sagten aus, dass damals zur Mittagszeit ganz unvermittelt geklingelt und dann sogar geklopft worden sei.

Auch für eine merkliche Alkoholisierung der Räuber zum Tatzeitpunkt geben die Zeugenaussagen nichts her. Während die jungen Angeklagten behauptet hatten, nach durchzechter Nacht noch "unter Strom" gestanden zu haben, konnten die überfallenen Frauen bei den Tätern keinerlei Alkoholgeruch wahrnehmen.

In den Morgenstunden dieses Tages hatten gleich mehrere Zeugen, darunter sogar der Eigentümer und die 58-jährige Bekannte der Familie, mal zwei und mal drei Unbekannte an der Gerolfinger Straße und sogar vor der Garageneinfahrt des betreffenden Wohnhauses herumlungern gesehen. Dabei dürfte es sich allem Anschein nach um die späteren Täter gehandelt gaben.

Das Verfahren soll am nächsten Freitag mit den Plädoyers fortgesetzt werden. Dann soll auch das Urteil fallen.

Bernd Heimerl