Seine Schmuddelpornos sind heute Kult

Ausstellung in Mainburg erinnert an den Sexfilmer Alois Brummer

20.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

−Foto: Stadtarchiv Mainburg

Mainburg (DK) Zugegeben, der Film ist längst aus der Zeit gefallen. Künstlerisch wertvoll? Fehlanzeige. Nichts also für ein Programmkino mit gehobenem künstlerischen Anspruch. Was geschieht? Schwierig zu sagen. Nachdem sie sich flugs ihrer Dirndl und Lederhosen entledigt haben, trollen sich allerlei Nackedeis auf der Leinwand. Die Darsteller stolpern ungelenk und mit derbem bairischen Dialekt von der einen in die nächste Tollpatschigkeit.

Das Publikum ist ob des Spektakels schier aus dem Häuschen. Der Titel des Streifens? Austauschbar. „Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter“, „Dr. Fummel und seine Gespielinnen“, „Unterm Dirndl wird gejodelt“ und nicht viel einfallsreicher: „Beim Jodeln juckt die Lederhose“. Schnell und billig abgedrehte Dutzendware. Heute sind die flimmernden Bilder schon so etwas wie Kult.

Wieder einmal ist der kleine Kinosaal im Stadtmuseum in Mainburg bis auf den letzten Platz gefüllt. Sexfilme stehen auf dem Programm. Lüsterne Erregtheit in den Reihen? Nicht was Sie jetzt denken! Irgendwie geht es um Kunst. Im weitesten Sinne wenigstens. Kunst, die so von den Zeitgenossen gar nicht wahrgenommen wurde und erst die Nachgeborenen in der Retrospektive entdecken. Einigen wir uns auf Gebrauchskunst – oder so etwas Ähnliches. Schwer zu beschreiben eben.

Also der Reihe nach. Es geht um einen Mann, der einst auszog, um die große Filmwelt zu erobern. Am Ende bringt er es nicht weiter, als dass sich für ihn ein paar Dutzend namenlose Darsteller für eine billige (Sex-)Klamotte entblätterten.

Sei’s drum. Dem Portemonnaie des Besagten tut das richtig gut. Später wird er sich eine prächtige Villa in einem Münchner Vorort leisten können. Wie heißt es so schön? Sex sells und bringt Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre richtig Geld.

Es geht um Alois Brummer (1926 bis 1984), gebürtig aus Oberwangenbach, Gemeinde Attenhofen, Verwaltungsgemeinschaft Mainburg, Landkreis Kelheim. Alois Brummer: Ein bauernschlauer Holledauer, der es faustdick hinter den Ohren hat. Dessen Leben und Werk hat das Stadtmuseum in Mainburg eine Ausstellung gewidmet, die noch bis März läuft.

Der Anlass: Im vergangenen Jahr wäre Brummer 90 Jahre alt geworden. Bis auf eine Handvoll interessierter Cineasten kennt ihn heute keiner der jungen Kinogänger mehr. Die übriggebliebenen Filmrollen mit den erwähnten anzüglichen Titeln verstauben in irgendwelchen Archiven. Bis sie vom Team des Stadtmuseums jetzt wieder hervorgeholt wurden. Für eine Retrospektive auf einen Mann, der für ein knappes Jahrzehnt mit seiner Art von Filmen zumindest von den Einspielerlösen her zu den ganz Großen der Branche gehört.

„A bissl g’schamt hab’n wir uns schon“, so lautet der treffend gewählte Titel der Ausstellung, der all das zusammenfasst, was die Mainburger Zeitgenossen seinerzeit über ihren „missratenen Sohn“ gedacht haben mögen. Dabei nötigt der geschäftliche Erfolg des „Sex-Brummer“ den Holledauern nach dem Motto „a Hund is a scho!“ einigen Respekt ab. Er selbst sieht es genauso. „Geistreich sind’s nicht, meine Filme, aber geistreiche Filme sind auch kein Geschäft“, diktiert der gute Alois mit seinem dicken Wohlstandsbauch zwischen den Hosenträgern im Jahre 1969 einem Reporter des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ in den Block. Dass sich das Feuilleton mit solch schlüpfrigem Kram befasst, wundert einen dann schon. Das kommt aber nicht von Ungefähr. Nach den fetten 1950er Jahren ist das deutsche Kino in die Krise geraten. Die Einspielerlöse sind im Keller. Gegen die Konkurrenz des Fernsehens kommen nur noch die Lichtspielhäuser in den Großstädten an. Auf dem Land macht ein Kino nach dem anderen dicht. Geld verdienen lässt sich nur in bestimmten Nischen. Am lukrativsten ist der Sexfilm – Beate Uhse lässt grüßen. Die Geschichte vom „Grafen Porno“ soll ihrem Schöpfer 340 000 D-Mark gebracht haben – damals eine unvorstellbare Summe.

„Unterm Dirndl wird gekurbelt“ titelt „Die Zeit“ im Januar 1975. Kein Geringerer als Henryk M. Broder nimmt sich des schlüpfrigen Genres an und arbeitet sich auf mehr als 400 Zeilen an dem Thema ab. Der Autor kommt zu folgendem Schluss: „Wer an diesem Markt nichts auszusetzen hat, der darf sich auch über Sexfilme nicht entrüsten. Und außerdem: lieber ein schlechter Sexfilm als eine gute Enthaltsamkeit.“

Der Erfolg eines Alois Brummer hält nicht einmal ein Jahrzehnt an. Dann ist das Thema ausgelutscht. Das Publikum hat sich sattgesehen, verlangt nach Härterem. Hardcore kommt in Mode. Wieder lässt Beate Uhse grüßen. Wie gut für Alois Brummer mit seinen Softsexstreifen, dass im Ausland noch ein prüderes Publikum zu finden ist. Plötzlich werden seine Filme zu Blockbustern, in Japan und den USA werden sie rauf und runter gespielt. Die vereinnahmten Lizenzgebühren spülen weiteres gutes Geld in die Taschen des Produzenten. Der fährt inzwischen längst einen Mercedes 280 SE, wegen der Liegesitze für einen Sexfilmer wahrscheinlich steuerlich absetzbar.

Alois Brummer dreht weiter Film um Film. Doch mit einem Projekt wird er scheitern. Es handelt sich um eine Herzensangelegenheit. 1970 will er einen Dokumentarfilm über seine Heimatstadt Mainburg drehen. Das löst einen Sturm der Entrüstung in der beschaulichen niederbayerischen Kleinstadt aus. Die Reaktion des verhinderten Dokumentarfilmers ist nicht überliefert, aber man kann sich vorstellen, dass er enttäuscht gewesen sein dürfte angesichts solcher Bigotterie.

„Rasputin – Orgien am Zarenhof“ (1983) ist der letzte Titel eines Brummer-Films in einer einschlägigen Auflistung. Er stirbt am 4. Mai 1984 kurz vor Vollendung seines 58. Lebensjahres in seiner Villa in Pasing.

Das Stadtmuseum hat Brummer und seinem Werk eine Retrospektive gewidmet. „Auch das gehört zur Stadtgeschichte“, sagt Museumsleiterin Renate Buchberger. An diesem Sonntag um 16.30 Uhr steht mit „Graf Porno bläst zum Zapfenstreich“ der nächste Kinotag an. Aber bitte den Ausweis mitbringen. Denn freigegeben ist die Vorführung erst für Zuschauer ab 16 Jahren.