Geisenfeld
Schwerer Verzicht auf die Eigenständigkeit

Vor 50 Jahren traten acht Gemeinden der Stadt Geisenfeld bei - Drei folgten sieben Jahre später

07.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:18 Uhr
Nein zur Eingemeindung sagten im Mai 1971 die Zeller Bürger. Mit solchen Plakaten hatten die Gegner des Beitritts am Tag vor der Abstimmung mobil gemacht. −Foto: Archiv GZ

Geisenfeld - An die bewegenden Momente bei der Räumung der Gemeindekanzleien erinnert sich der frühere Geisenfelder Verwaltungsleiter noch ganz genau: "Da hatten gestandene Mannsbilder Tränen in den Augen." Heuer jährt es sich zum 50. Mal, dass acht umliegende Gemeinden nach Geisenfeld eingegliedert wurden.

Die Gemeindegebietsreform der 1970er Jahre war sowohl für Geisenfeld als auch für die eingemeindeten Dörfer ein großer Einschnitt. Stadtarchivar Hans Strauß hat diese Zeit als damaliger Amtsmann an der Seite von Verwaltungsleiter Josef Doesel hautnah miterlebt, und er widmete diesem Thema eine ausführliche Dokumentation. "Der freiwillige Zwang" heißt das 285-Seiten-Werk, das Ende 2012 erschienen ist.

"Es war nicht einfach, die Jahrhunderte lange Eigenständigkeit aufzugeben", heißt es im Vorwort. Die von oben verordnete Reform brachte die Volksseele zum Kochen, und die Emotionen entluden sich in leidenschaftlichen Diskussionen über Sinn und Zweck der staatlichen "Zwangsmaßnahmen". Für viele Gemeinderatsgremien wurden die notwendigen Beschlüsse zur Umsetzung der Reform zu einer Zerreißprobe. Die Frage lautete: Abwarten, so lange es geht, um vielleicht doch selbstständig bleiben zu dürfen? Oder doch schon jetzt freiwillig eingemeinden? Weil ohnehin kein Weg dran vorbei führt, weil man jetzt bei den Verhandlungen mit der Stadt den eigenen Wunschzettel noch gut durchsetzen kann und weil sich jetzt auch noch eine schöne Finanzspritze herausholen lässt. Um den Gemeinden die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit zu versüßen, gab es nämlich vom Freistaat beträchtliche Sonderzuschüsse - aber nur, wenn die Eingemeindung noch 1971 erfolgte.

Die letztendliche Entscheidung lag aber nicht bei den Gemeinderäten. In allen Dörfern wurde darüber von der Bevölkerung abgestimmt. Erster Wahltag war der 28. Februar 1971. Hier votierten die Bürger in Engelbrechtsmünster, Gaden, Geisenfeldwinden, Parleiten und Schillwitzried mit unterschiedlich deutlichen Mehrheiten für die Eingemeindung, die für diese Dörfer dann zum 1. April erfolgte. Zum 1. Juli 1971 wurden dann auch Nötting, Unterpindhart und Untermettenbach eingemeindet. Eine Abstimmung hierüber hatte es in diesen Dörfern am 16. Mai gegeben. "Bewegend waren besonders die Räumungen der ehemaligen Gemeindekanzleien, die Übergabe der Akten, Dienstsiegel und des Inventars", erinnert sich Hans Strauß. "Es war wie der Auszug aus dem eigenen Haus - und solche Augenblicke vergisst man nicht."

Offiziell vollzogen wurde der Beitritt der acht Orte bei einer zentralen Eingemeindungsfeier am 15. August 1971 im Gasthaus Schrott in Engelbrechtsmünster. Geisenfelds Bürgermeister August Prechter und Landrat Traugott Scherg würdigten die Eingemeindung dabei als "epochales Ereignis" für die Stadt und die acht Orte. Mit den 1971 vollzogenen Eingemeindungen vergrößerte sich die Einwohnerzahl Geisenfelds mit einem Schlag von 3249 auf 5330, die Fläche der Stadt nahm gar von 1152 auf 4963 Hektar zu.

 

Ein klares Nein bei den Abstimmungen im Februar und Mai 1971 gab es hingegen in Ilmendorf (um das damals auch die Stadt Vohburg buhlte), wo sich 209 von 265 Wählern gegen eine Eingemeindung nach Geisenfeld aussprachen, und in Zell mit 304 zu 92 Stimmen. Hier war einige Monate vorher statt eines Beitritts zu Geisenfeld auch ein Zusammenschluss mit Rottenegg Untermettenbach diskutiert worden. "Zell bleibt selbständig!" stand auf den Plakaten, mit denen die Gegner der Eingemeindung am Tag vor der Abstimmung im Ort mobil machten.

"Wir waren nicht nur eine relativ große, sondern auch eine infrastrukturell und finanziell sehr gut aufgestellte Gemeinde", begründet der frühere Zeller Stadtrat Günter Reith die damaligen starken Vorbehalte im Ort. Geholfen hat den Zellern und Ilmendorfern ihr Nein von 1971 aber nicht lange etwas. Sieben Jahre später, 1978, ließ der Freistaat ihnen und auch den Rotteneggern gar keine andere Wahl, als der Stadt Geisenfeld beizutreten, die damit auf 7124 Einwohner wuchs.

"Aus heutiger Sicht war der Anschluss an Geisenfeld auch für Zell die richtige Entscheidung", bilanziert Günter Reith. Auch wenn die Zeller in der Folge über ein paar Entwicklungen - wie etwa den Verkauf des Schulgebäudes 1981 - "gar nicht glücklich" sein konnten. Dass sich "die einstige Aufregung in den Dörfern längst gelegt hat", schreibt auch Hans Strauß in seiner Dokumentation - zumal die (von Ort zu Ort unterschiedlichen) Eingemeindungsverträge "weitestgehend erfüllt" worden seien.

Auch wenn es bis zur Erfüllung manchmal ein bisserl dauert, so wie im Falle des Geh- und Radweges von Engelbrechtsmünster nach Geisenfeld. Ein solcher "Wirtschaftsweg" solle "innerhalb der nächsten zwei Jahre" gebaut werden, heißt es im Eingemeindungsvertrag. Jetzt wird es damit ja etwas - mit einer kleinen Verzögerung von einem halben Jahrhundert.

GZ

 

Gerhard Kohlhuber