Schwere Vorwürfe

Ein Kommentar von Johannes Greiner

22.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:34 Uhr

Die Geschichte klingt nach Agenten-Thriller: Nach dem Berliner Weihnachtsmarkt-Anschlag soll ein Hauptverdächtiger in einer konzertierten Aktion in- und ausländischer Behörden außer Landes gebracht worden sein, um ihn vor Strafverfolgung zu schützen.

Allein, die Beweislage für die vom Magazin "Focus" erhobenen Vorwürfe ist etwas dünn. Bilel Ben Ammar, der Bekannte des Attentäters Anis Amri, sei "offensichtlich" ein Agent des marokkanischen Geheimdiensts, schreibt das Magazin unter Berufung auf nicht näher erläuterte Ermittlungsdokumente. Und es gebe ein geheimes Video, auf dem eine Person "mit dem Aussehen" des Verdächtigen dem Attentäter Amri den Fluchtweg freiprügle. Möglich, dass das so stimmt. Aber kann man nur aus dieser Möglichkeit derart schwerwiegende Vertuschungsvorwürfe konstruieren? Also den deutschen Behörden nicht nur Versagen, sondern aktive Strafvereitelung vorwerfen?

Die ungewöhnlich schnelle Abschiebung des möglichen Amri-Mitwissers Ben Ammar im Februar 2017 ist seither immer wieder in den Medien thematisiert worden. Es ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Behörden nach dem Fall Amri einfach dringend die erfolgreiche Abschiebung eines islamistischen Gefährders vorweisen wollten.

Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich im Nachhinein immer leicht redet, gab es im Fall Amri haarsträubende Pannen. Bevor man aber von einer Staatsverschwörung spricht, sollte man vielleicht abwarten, welche Fakten der Amri-Untersuchungsausschuss wirklich zutage fördert.