Ingolstadt
Angst vor dem Abstieg

Ein Kommentar von DK-Chefredakteur Stefan König zur Lage bei Audi

22.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:03 Uhr


Ingolstadt (DK) Bram Schot ist noch keine zwei Monate offiziell als Audi-Chef im Amt, da hat er schon fast die gesamte Belegschaft gegen sich aufgebracht. Das ist einerseits unumgänglich, auf der anderen Seite brandgefährlich.

In seiner Videobotschaft vom vergangenen Freitag schwor er die Beschäftigten auf tiefe Einschnitte ein. Der Wegfall von zwei Schichten sei unerlässlich, um Audi auf Kurs zu halten. Ehrliche Worte, die vielleicht schon viel früher hätten fallen müssen. Längst ist klar, dass im Werk in Ingolstadt nie mehr – wie zu Hochzeiten – rund 600 000 Autos pro Jahr gebaut werden können. Die fetten Jahre scheinen vorbei zu sein. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Schot die Fahrweisen in der Produktion anpassen  und   Stellen nicht nachbesetzen will.  Die Einschnitte sind dringend notwendig, allerdings hätte er in seiner Botschaft den Bogen weiter spannen müssen, dann wäre  womöglich auch der Shitstorm im   Firmennetz  nicht so heftig ausgefallen. 
Denn der erste Eindruck, den  viele Audianer hatten, war, dass die gegenwärtige Situation vor allem die Mitarbeiter der Produktion ausbaden müssen. Ein paar Tage später kündigte Schot in einem Zeitungsinterview dann an, auch das Management straffen zu wollen. Auch das ist ein richtiger Ansatz und nicht ungewöhnlich. Neue Führungsmodelle sind in der Wirtschaft generell gerade gefragt. Nun stehen indes konkrete Zahlen im Raum. Von den rund 2500 Führungskräften im gesamten Audi-Konzern sollen zehn Prozent wegfallen, Insider vermuten sogar eine noch höhere Zahl. Damit hat der Audi-Chef klar gemacht, dass sich das Unternehmen auf allen Ebenen neu aufstellen muss, will es künftig der Konkurrenz nicht mehr hinterherfahren. 
Dabei geht es um viel mehr als nur darum, die Rendite wieder zu erhöhen und das Image  aufzupolieren. Audi  galt über Jahre hinweg als Perle des VW-Konzerns. Die Angst vor einem Abstieg zu einem Werk von vielen innerhalb der Volkswagen-Familie ist vielerorts zu hören. Deshalb muss Schot die Belegschaft schnell hinter sich bringen. Der radikale Umbruch gelingt nur, wenn sich das Unternehmen nicht in internen Grabenkämpfen aufreibt.  Zu lange darf die schlechte Stimmung bei Audi deshalb nicht dauern.

Stefan König