Berlin
Schuldenmachen rechnet sich

1,5 Milliarden Euro Gewinn: Bund profitiert von Negativzinsen auf Staatsanleihen

01.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:28 Uhr

Berlin (DK) Mit Schuldenmachen Geld verdienen - wovon wohl viele Bürger träumen, ist für den Bundesfinanzminister Realität. Wolfgang Schäuble (CDU) profitiert immer stärker von der Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die er selbst zuletzt immer wieder kritisiert hatte.

So haben Negativzinsen auf deutsche Staatsanleihen im 1. Halbjahr 2016 erstmals dazu geführt, dass der Bund 1,5 Milliarden Euro von den Geldgebern kassiert hat. Das Finanzministerium bestätigte die Zahlen. Schäuble im Glück - der Kurs der EZB führte dazu, dass die Zinsausgaben des Bundes in diesem Zeitraum von 9,3 Milliarden auf 7 Milliarden Euro und damit um 27,3 Prozent zurückgingen.

Die Unsicherheit auf den Finanzmärkten, die unklare Lage und die drohenden negativen wirtschaftlichen Entwicklungen nach der Brexit-Entscheidung, aber auch die Bankenkrise in Italien führen dazu, dass Bundesanleihen als sichere Zuflucht für Anleger immer beliebter werden, selbst wenn sie dafür bezahlen müssen, anstatt Gewinn zu machen. Aktuell liegen die Zinsen für Anleihen mit bis zu zehnjähriger Laufzeit im Negativbereich. Anstatt Gewinne zu erhalten, muss draufgezahlt werden. Vor wenigen Tagen war erstmals auch eine Bundesanleihe mit zehnjähriger Laufzeit mit Minuszins ausgegeben worden. Bei Anleihen werden im Unterschied zu Krediten die Renditen oft direkt bei der Ausgabe beglichen. Im Fall der Negativzinsen erhält der Staat beim Verkauf mehr Geld als er am Ende der Laufzeit zurückzahlen muss.

Was gut für den Staatshaushalt ist, ist bitter für alle Sparer. Seit Jahren schon profitiert der Fiskus von den niedrigen Zinsen. Allein der Bund hat so laut Experten seit 2010 mehr als 100 Milliarden Euro eingespart und damit auch den Abbau der Neuverschuldung und die "Schwarze Null" im Haushalt erzielt. Bei Amtsantritt als Finanzminister 2009 musste der CDU-Politiker noch 38 Milliarden Euro Zinsausgaben leisten. Im Bundeshaushalt 2017 werden es nur noch 20,1 Milliarden Euro sein.

Die EZB will mit ihrer Niedrig- und Negativzinspolitik erreichen, dass vor allem Banken ihr Geld nicht horten, sondern verstärkt Kredite vergeben. Dadurch sollen europaweit mehr Investitionen ermöglicht sowie das Wachstum und die Inflation erhöht werden. Ziel der Währungshüter in Frankfurt ist eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent. Für 2016 allerdings mussten sie ihre Inflationsprognose von ursprünglich 0,7 Prozent auf 0,3 Prozent senken. 2017 soll die Inflationsrate dann bei 1,3 Prozent liegen. Dies soll mit der Niedrigzinspolitik erreicht werden. Banken, die bei der EZB Geld parken, müssen Strafzinsen bezahlen.

Mit einem umfassenden Anleihen-Kaufprogramm von 80 Milliarden Euro Monat für Monat wollen die Euro-Hüter zusätzlich dafür sorgen, dass mehr Kredite an die Wirtschaft fließen. Bundesfinanzminister Schäuble hatte noch im Frühjahr ein Ende der lockeren Geldpolitik gefordert. Es gebe Anzeichen dafür, dass das "Übermaß an Liquidität inzwischen mehr Ursache als Lösung des Problems" sei.

Während Schäuble von dem Niedrigzinsniveau profitiert, versäumt er es, die günstigen Bedingungen weiterzugeben. So hat etwa das Institut der Deutschen Wirtschaft berechnet, dass der Fiskus Betriebe trotz Niedrigzinsen übermäßig belaste und ihnen bei Geldanlagen sechs Prozent Zinsgewinn unterstelle. So müssten Unternehmen Steuern für fiktive Gewinne zahlen, die sie gar nicht erzielen würden, insgesamt rund 20 Milliarden Euro von 2008 bis 2014, die an anderer Stelle fehlten.