Zandt
Schnurgerade, schnörkellos, funktional

17.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:54 Uhr

Schnurgerade zieht sich der Limes durch den Wald. Arbeit mit modernster Lasertechnik. Schmückendes Beiwerk: eine römische Standarte (unten).

Zandt (DK) Seinen Zweck sollte er erfüllen: das Römische Reich in seinen Grenzen zu sichern. Dementsprechend funktional und ohne architektonischen Schickschnack war er erbaut. Eine logistische Meisterleistung. Der Obergermanisch-Raetische Limes, der 550 Kilometer Deutschland durchzieht und dabei – zum Teil schurgerade – durch den Landkreis Eichstätt verläuft. Errichtet im zweiten Jahrhundert nach Christus – über die genauen Daten gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse. „Wir wissen nicht viel“, sagt der stellvertretende Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Vorsitzende der Deutschen Limeskommission, C. Sebastian Sommer. Und das wenige, das bei Grabungen beispielsweise in Obergermanien erforscht wird und als gesichert gilt, muss nicht auch für den Raetischen Limes gelten. Allzu unterschiedlich sind die Gegebenheiten, allzu verschieden auch das Umfeld.

Einen kleinen, regional begrenzten Mosaikstein für die weitere Erforschung haben sich die Archäologen nun mitten im Köschinger Forst bei Zandt, Gemeinde Denkendorf, erhofft. Drei Wochen lang haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bamberg unter Federführung der Professur für Archäologie der Römischen Provinzen in Zusammenarbeit mit der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege dort mit einer Lehrgrabung gearbeitet.

Der Ort war sorgfältig ausgewählt worden. Im Köschinger Forst wird seit Jahrhunderten nachhaltige Waldwirtschaft betrieben. Eingriffe in den Naturhaushalt und das Gelände wurden kaum vorgenommen. Der Limes hier zählt denn auch als ein besonders gut erhaltener Abschnitt des großen römischen Befestigungswerks. Das gilt sowohl für die Steinmauer als auch für deren Vorgänger: Holztürme, mit einem Graben umgeben, die nach und nach mit einem hölzernen Palisadenzaun verbunden wurden, und den folgend errichteten Steintürmen, deren Reihen Zug um Zug mit einer Steinmauer geschlossen wurden. Palisade und Mauer liegen bei Zandt – schön parallel verlaufend – nur wenige Meter auseinander.

Ein idealer Ort also für Archäologen, für die jeder noch so kleine Eingriff in ein Bodendenkmal einer Zerstörung gleichkommt und die sich deshalb bei der wissenschaftlichen Lehrgrabung selbst nur „mikrochirurgisch kleine Schnitte“ erlaubten, wie Grabungsleiterin Julia Koch (kleines Foto) von der Uni Bamberg sagt. Unter ihrer Leitung fand die Grabung statt, an der knapp 20 Mitarbeitern, Studenten der Uni Bamberg sowie freiwillige Helfer des Historischen Vereins Ingolstadt beteiligt waren.

Koch ist von den Ergebnissen begeistert. Sowohl Palisaden als auch Mauer überraschten in ihrer „Monumentalität“. Die Pfosten der Palisaden waren deutlich über einen Meter tief in dem steinigen Untergrund verankert. „Da musste schon mit brachialer Gewalt gearbeitet worden sein, um durch die Plattenkalke zu kommen“, sagt Koch. Erkenntnisse darüber, wann genau die Pfähle gesetzt wurden, erhoffen sich die Wissenschaftler von Holzkohleresten, die in den Löchern gefunden wurden.

Die Mauer dann: am Sockel zwischen 1,24 bis 1,30 Meter dick. Und im Fundament in einem „überraschend gut erhaltenen Zustand“, so Julia Koch. Mit dem Material machten es sich die Römer leicht. Sie verwendeten das, was an Ort und Stelle vorhanden war. Dies zeigen die Bodenvertiefungen in unmittelbarer Nähe der Mauerreste, aus denen das Material entnommen wurde. Ihre Technik haben die Römer dem verwendeten Stein angepasst. Im Köschinger Forst bei Zandt waren dies die Plattenkalke des Jura, die dreilagig abwechselnd im Fischgrätmuster, dann horizontal und dann wieder im Fischgrätmuster geschichtet beziehungsweise gestellt und so zur Mauer aufgerichtet wurden. Gearbeitet wurde in Trockenbauweise, ohne Mörtel und auch ohne Putz oder gar Fassadenbemalung, wie immer wieder vermutet wird. Schnörkellos und ohne besondere architektonische Note, funktional eben.

Wie hoch die Mauer war, das, so Koch, müssten erst Rekonstruktionen ergeben, die anhand der Sockelbreite jetzt angestellt werden können. Doch wohl nicht höher als zwei bis drei Meter. Ein Bollwerk der Verteidigung? Das zieht die Wissenschaftlerin infrage. Unüberwindbar jedenfalls dürfte diese Befestigungsanlage nicht gewesen sein.

Vielleicht aber steckte auch ein psychologisches Motiv hinter der gewaltigen Befestigungsanlage des Limes, die vor zehn Jahren zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Eventuell waren Zaun beziehungsweise Mauer eine Art Rechtfertigung der Machthaber ihren Bürgern gegenüber, sollte das eine oder andere kommende Unternehmen scheitern und der Weltherrschaft der Römer Kopf und Kragen kosten – nach dem Motto: „Seht her, wir haben unsere Grenzen gesichert, bevor wir uns weiteren Kämpfen zugewandt haben.“

Immerhin. Einige Fragen beantwortet, weitere offen, neue gestellt. Die bei Zandt gewonnenen Erkenntnisse allerdings gelten nur für den kleinen, etwa 50 Meter langen Abschnitt bei Zandt. Und der Obergermanisch-Raetische Limes ist 550 Kilometer lang.