Schrobenhausen
Reise in die eigene Vergangenheit

69 Wallfahrer aus Schrobenhausen und Umgebung nehmen am Egerländer Gebetstag teil

17.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:54 Uhr

Zahlreiche Gläubige gingen zur Kommunion, die unter anderen Kardinal Dominik Duka, Erzbischof von Prag, in der mit rund 700 Menschen voll besetzten Wallfahrtskirche Maria Kulm erteilte. - Foto: Hammerl

Schrobenhausen (SZ) Dass er zwei Reisebusse für seine Fahrt zum 16. Egerländer Gebetstag nach Maria Kulm brauchen würde, hat Helmut Eikam nicht erwartet. Mit etwa 30 Wallfahrern rechnete er, am Ende waren es 69, die die Gelegenheit nutzten, den Wallfahrtsort im Egerland zu besuchen.

Die meisten haben einen persönlichen Bezug zu Maria Kulm, stammen aus dem Egerland oder Sudetenland, so dass die Fahrt zur Reise in die eigene Vergangenheit oder in die Heimat der Eltern wird. Schon im Bus stimmt Eikam, der als Großmeister des Laienordens der Kreuzherren vom Roten Stern zu den Unterstützern der Wallfahrtsstätte gehört, seine Mitfahrer auf Maria Kulm ein, indem er Legenden aus der reichen Geschichte der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Wallfahrt erzählt. Ein Metzgersgeselle, der sich an einem heißen Sommertag unter einem Strauch ausruhte, soll darin ein Marienbildnis gefunden haben, das er zunächst mit nach Hause nahm. Von dort verschwand es jedoch. Als er es in jenem Busch wiederfand, erkannte er, dass das Bildnis seinen Platz dort erwählt habe, und baute ihm ein Dach. Nach seinem Tod zerfiel die Andachtsstätte, bis ein Fassbindergeselle sich ebendort zur Ruhe legte und im Traum erfuhr, dass seine Eltern gestorben seien und er mit dem Erbe der Muttergottes eine Kapelle erbauen solle. Anno 1728 wurde die heutige Wallfahrtskirche fertiggestellt, die mehrere Hundert Menschen fasst.

Etwa 700 Gläubige, schätzt Großmeister Josef Šedivý, nehmen diesmal am Gebetstag teil. Festprediger zu Maria Himmelfahrt ist Kardinal Dominik Duka, heute Erzbischof von Prag, einst Probst von Maria Kulm, wo er seine erste Priesterstelle angetreten hatte. Duka predigt Deutsch, erinnert an den Zweiten Weltkrieg, an dem beide Seiten Schuld gehabt hätten, thematisiert aktuelle Flucht und Vertreibung vor Terror oder totalitären Staaten und räumt ein, dass es mitunter schwer sei, an Gott zu glauben. Dennoch sei er sicher, „es gibt noch etwas über uns“. Gott verstehe die Menschen, ganz gleich, ob sie Deutsch, Tschechisch, Englisch oder sonstige Sprachen sprächen. Der Gottesdienst wurde überwiegend in Deutsch und Tschechisch gehalten – mit überraschend hohem Anteil an Deutsch, die Schlusssätze waren in Latein gehalten.

Nach der Messe, die seit 1992 alljährlich von der Bauernkapelle Münchenreuth unter Leitung von Konrad Wifling gestaltet wird, stärken sich die Schrobenhausener Wallfahrer im Kreuzgang an typisch böhmischen Spezialitäten und der ein oder andere nutzt die Chance, sich in der neu eröffneten Ausstellung über den Dominikanerpater Professor Petr Haban zu informieren, der von den Kommunisten nach Maria Kulm strafversetzt worden war und weitere Repressalien zu erdulden hatte.

Beim zweistündigen Zwischenstopp in Eger – heute Cheb – bietet Eikam eine Stadtführung an, was von den meisten gerne angenommen wird. Sehenswert ist das Marktplatzensemble mit alten Häusern, deren Fassaden sehr schön hergerichtet sind, während in den Seitengassen etliche restaurierungsbedürftig sind. Mitten auf dem Platz der Brunnen mit Roland, der Symbolfigur der Freien Reichsstädte, den die Egerer respektlos „Egerländer Wastl“ nennen. Was andererseits aber auch wieder Sinn macht, denn seit 1322, wie Eikam erzählt, war Eger nicht mehr frei, sondern dem König von Böhmen unterstellt – ein Nebenprodukt der Kaiserwahl, denn Ludwig von Bayern erkaufte sich damit die Stimme des Böhmischen Königs, der einer der stimmberechtigten Kurfürsten war. Weiter geht es am Egerer Stöckl vorbei, neun alten, schmalen und ineinander verschachtelten Gebäuden, den Resten des jüdischen Stadtviertels, zum Pachelbelhaus, wo im Jahr 1634 Wallenstein ermordet wurde. Heute beherbergt es ein Museum. Letzte Station ist die Burg mit dem ältesten Gebäude Egers sowie dem Wahrzeichen der Stadt, dem Schwarzen Turm, erbaut aus Basalt sowie einer Kapelle, die im Untergeschoss romanisch, darüber gotisch ist. Nach dem Besuch der Folterkammer und (erzählten) Begegnungen mit Johann Wolfgang von Goethe sowie Henker Karl Huß geht es an die Heimreise.