München
Schnelle Hilfe in seelischer Not

Bezirk Oberbayern gibt grünes Licht für psychiatrischen Krisendienst

26.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

München (DK) Es ist ein Meilenstein in der Versorgung von Menschen in akuten seelischen Notlagen: Der Bezirk Oberbayern baut ab Juli schrittweise einen psychiatrischen Krisendienst auf. Ganz vorne dabei Ingolstadt und die Region 10. Im Endausbau liegen die Kosten bei 7,3 Millionen Euro.

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss des oberbayerischen Bezirkstags hat den stufenweisen Aufbau eines Krisendienstes für psychiatrische Notfälle in ganz Oberbayern beschlossen. Der Startschuss wird im Landkreis München fallen – gefolgt von der Region 10, weil dort die Vorbereitungen am weitesten gediehen sind. „Der Krisendienst ist für mich ein Herzensanliegen“, sagt Bezirkstagspräsident Josef Mederer. „Endlich können Menschen in akuten seelischen Krisen wohnortnah und rasch einen Hilferuf absetzen, ohne dass sie fürchten müssen, mit dem Notarzt auch die Polizei im Haus zu haben.“

Und die kommt oft auch noch mit Sirene und Blaulicht. Solche leidvollen Erfahrungen kennt Eva Straub vom Verein Angehöriger psychisch kranker Menschen nur zu gut. Als sie die Nachricht vom Bezirk erhielt, konnte sie es zunächst gar nicht fassen: Seit 25 Jahren nun schon kämpft sie als betroffene Mutter für eine schnelle, wohnortnahe Hilfe bei akuten Notfällen. Auf allen Ebenen, denn sie ist Vorsitzende des Ingolstädter Vereins und auch Landesvorsitzende: „Dass jetzt etwas passiert, ist eine Verbesserung, die den Menschen hautnah zugutekommt. Und ein Beispiel, dass die Regierung Hilfe und Menschlichkeit vor die Finanzen stellt. Für mich ist das wie ein kleines Wunder.“

In Ingolstadt gibt es seit schon über 20 Jahren einen Arbeitskreis, der beharrlich den Aufbau eines Krisendienstes in der Region vorantrieb. „Der Bezirk lehnte unseren Antrag aber ab, denn es sollte ein Hilfsangebot für ganz Oberbayern auf den Weg gebracht werden“, sagt Stefan Preindl von der Beratungsstelle für psychische Gesundheit der Caritas Ingolstadt.

Nun beginnt endlich der Aufbau der Hilfsstrukturen: Die persönliche Krisenintervention in der Region 10 sollen laut Preindl die sozialpsychiatrischen Dienste der Caritasverbände übernehmen: Je nach Bedarf sind kurzfristige ambulante Beratungstermine, Kriseneinsätze vor Ort oder stationäre Klinikeinweisungen möglich. Insgesamt werden zehn neue Stellen geschaffen, zuerst wird ein Gebietskoordinator gesucht. Preindl: „Ich schätze, dass es 2016 losgehen kann.“

Das Hilfsangebot des Bezirks wird zunächst über fünf Jahre in der Praxis erprobt. Die geschätzten Kosten im Endausbau liegen bei zirka 7,3 Millionen Euro pro Jahr. „Das Projekt ist für uns ein gewaltiger Brocken, da wir es zurzeit noch alleine schultern müssen“, bedauert Bezirkstagspräsident Mederer. „Leider beteiligen sich die Krankenkassen nicht, wir haben wirklich alles versucht, aber es war nichts zu machen.“

Die Leitstelle wird beim bereits bestehenden Krisendienst München angesiedelt: Dort gehen künftig alle telefonischen Hilferufe ein. Die Stelle wird unter ärztlicher Führung mit speziell geschulten Fachkräften besetzt und übernimmt die Erstberatung. Außerdem koordiniert sie die Hilfen. An den Krisendienst können sich Hilfesuchende ab 16 Jahren aus Oberbayern in seelischen Krisen wenden, ebenso deren Angehörige, Betreuer und sonstige beteiligte Dritte im sozialen Umfeld. Auch Experten aus Medizin und Fachstellen finden dort ein offenes Ohr.

Allein aus dem Großraum der Landeshauptstadt gehen beim Krisendienst Psychiatrie München derzeit jährlich 15 000 Anrufe ein. Das Zentrum für psychische Gesundheit am Klinikum Ingolstadt hat auch ein Krisentelefon mit der Nummer (08 00) 8 41 84 18. Es bietet anonyme Hilfe in psychischen und sozialen Notlagen.