"Schnell, erfahren und nicht schreckhaft"

18.04.2007 | Stand 03.12.2020, 6:50 Uhr

Ingolstadt (DK) Am kommenden Wochenende startet die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) in die neue Saison. Gejagt: Titelverteidiger Mercedes. Jäger: Audi. Vor dem Auftakt in Hockenheim verrät Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich im Gespräch mit unserem Redakteur Oliver Konze, dass Audi bestens vorbereitet in die Saison geht, die Fahrer gut auf die verschiedenen A4 verteilt sind und Vanina Ickx unter Druck steht.

Nach zwei Jahren mit verlorene m Meisterschafts-Kampf müssen Sie doch nur eines herbei sehn en: den DTM-Titel.

Wolfgang Ullrich: Wir wünschen uns bei jedem Rennen einen Sieg. Aber ein Sieg allein macht noch keinen Titel. Dazu brauchen wir viele Erfolge und mehrere Fahrer, die gewinnen und auch Punkte sammeln können. Das ist die Basis für einen Erfolg . Aber natürlich ist klar: Wir wollen Meister werden.

Wie hoch ist der Druck in einer so erfolgsorientierten Firma wie Audi?

Ullrich: Audi Sport hat über viele Jahre auf allerhöchstem Niveau immer wieder Siege eingefahren. Da schmerzt natürlich jede Niederlage ganz besonders. Wir kennen den Stellenwert der DTM im deutschen Motorsport und die Tatsache, dass dort Erfolge gegen den stärksten Wettbewerber im Premiumbereich enorm wichtig sind. Wir wissen, was Audi von uns erwartet, daher ist der Druck sehr hoch. Aber auf dem motorsportlichen Niveau, auf dem sich Audi bewegt, ist der Druck immer sehr hoch.

Haben Sie, hat Audi Sport alles getan, damit der Titel in der DTM heuer wieder nach Ingolstadt und Neckarsulm geholt werden kann?

Ullrich: Wir haben all e s realisiert, was wir für wichtig und umsetzbar erachtet haben – vor dem Hintergrund des deutlich verkürzten Zeitplans betrachtet.

Verkürzter Zeitplan?

Ullrich: Das erste Rennen wurde – entgegen der ursprünglichen Planung – um immerhin drei Wochen vorverlegt. Drei Wochen weniger Entwicklungszeit. Wissen Sie, was man in drei Wochen alles machen kann?

Zu den Audi-Fahrern: Wie groß ist der Einfluss von Audi Sport bei der Vergabe der Cockpits, wie groß der der Marketingabteilung?

Ullrich: Audi Sport unterbreitet Vorschläge, die dann mit der Marketingabteilung abgestimmt werden. Das war schon immer so und hat sich auch bewährt.

Und die Zusammenarbeit mit den Sponsoren Audi Bank, Audi Gebrauchtwa- gen:plus, Audi Top Service und quattro GmbH bringt auch keine Interessenskonflikte mit sich?

Ullrich: Mit diesen Partner arbeiten wir seit Jahren gut zusammen. Die Bereiche der Firma wollen sich präsentieren, die DTM bietet da eine attraktive und sehr gute Bühne . Und blicken Sie nach Stuttgart. Bei Mercedes läuft es ähnlich .

Vanina Ickx fährt nach einer eher mäßigen Saison 2006 weiter für Audi. Steht die Belgierin unter "besonderer Beobachtung"?

Ullrich: Sie steht nicht unter besonderer Beobachtung . Sie weiß, dass das zweite Jahr bei Audi und in der DTM für sie sehr wichtig ist. Ich bin sicher, dass sie sich entsprechend vorbereitet hat. Sie kennt den Druck, der in der DTM herrscht, und weiß sehr genau, was Audi von ihr erwartet.

Was erwartet Audi von Vanina Ickx?

Ullrich: Eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.

Warum sitzen z wei gute, neue Fahrer – Mike Rockenfeller und Lucas Luhr – in Vorjahreswagen und nicht gleich in einem aktuellen Audi A4 DTM?

Ullrich: Es ist ganz einfach: Es gibt nur vier neue Autos. Deren Cockpits sind gut besetzt.

An die richtigen Fahrer?

Ullrich: Ja.

Weil?

Ullrich: Weil sie anerkannt schnell sind. Weil sie schon reichlich Erfahrung in der DTM gesammelt haben. Und weil sie nicht mehr viel überraschen kann.

Die Neuzugänge hätten nicht das Potenzial gehabt, gleich in aktuelle Audi-Renntourenwagen zu steigen und schnell zu sein?

Ullrich: Natürlich haben auch diese Fahrer das Potenzial. Aber mal ehrlich: Sollte ich diese Piloten in ihrer ersten DTM-Saison einem extremen Druck aussetzen , indem ich ihnen ein neues Auto gebe und sage, ,Ihr wisst, dass es von euch mit abhängt, ob wir Meister werden’?

Wie können Rockenfeller und Luhr dann ihr Potenzial zeigen?

Ullrich: Sie werden das zweifellos auch in den Vorjahres-Rennwagen schaffe n.

Apropos Vorjahres-Rennwagen: Der A4 DTM von 2006 war auf fast jeder Strecke einen Tick langsamer als der Mercedes. Da können die Audi-Fahrer Rockenfeller, Luhr, Christian Abt und Alexandre Prémat heuer keinen Blumentopf gewinnen?

Ullrich: So sehe ich das nicht. Wir haben jede Menge Daten aus der vergangenen Saison. Die helfen den Teams schon weiter. Und einzelne Komponenten konnte n wir auch verbessern – soweit es das Reglement erlaubt. Das bedeutet natürlich keine großen Schritte. Aber es gab auch keinen Stillstand in den Wintermonaten. U nsere Fahrer können sehr wohl glänzen und punkten. Und sie werden es auch tun.

Am Wochenende müssen Audi und Mercedes die Karten aufdecken. Hat der Hersteller , der das erste Rennen gewinnt, die ganze Saison lang die Nase vorne?

Ul lrich: Warten wir drei Rennen ab, dann können wir eine Richtung erkennen. Natürlich lässt sich schon nach Hockenheim eine Tendenz erkennen – wenn man die Daten spezifisch und sauber auswertet. Das reine Ergebnis sagt da nicht immer etwas aus.

Aber das Reglement lässt doch nur kleine Entwicklungsfortschritte zu, beide Hersteller haben also die gleichen Voraussetzungen.

Ullrich: Das stimmt. Nur durch Weiterentwicklung sind nach dem Saisonstart keine großen Schritte mehr möglich. Aber wenn man zum Beispiel mit einem Problem in die Saison startet und anfangs mit einem Kompromiss f ahren muss , gelingt einem v ielleicht ein größerer Schritt nach vorne.

Welche Voraussetzungen müssen bei Audi erfüllt sein, damit der Auftakt in Hockenheim gelingt?

Ullrich: Das Performance-Verhältnis muss stimmen, so wie beim Test in Oschersleben. Wenn die Mannschaftsstärke bei den Rennen mit den Eindrücken aus Oschersleben übereinstimmt, dann haben wir gute Voraussetzungen geschaffen.

Eine Frage zur Performance von Mattias Ekström: Er war 2006 ja weit von seiner Bestform entfernt. Glauben Sie, dass er heuer schneller unterwegs ist?

Ullrich: Ich bin sicher , dass ,Eki’ noch besser ist als in seinem Meisterjahr 2004. Er hat sich noch nie so intensiv auf eine Saison vorbereitet wie dieses Mal.

Mit Prognosen halten Sie sich ja immer zurück. Aber was trauen Sie Rückkehrer Gary Paffett im Vorjahres-Mercedes zu?

Ullrich: Er hat das schnelle Autofahren nicht verlernt. Das Reglement ist bewusst so gestaltet, dass Vorjahres-Autos auch nach vorne fahren können. Ich glaube, er kann aufs Podium komm en.

Wie viele Fahrer haben Siegchancen in der DTM?

Ullrich: Zehn.

Das bedeutet, je vier Fahrer in den aktuellen Audi und Mercedes. Und dazu wer?

Ullrich (lacht): Das verrate ich nicht.

Man arbeitet fast ein Jahr am neuen Rennwagen. Wird man als "alter Hase" noch nervös vor dem Saisonauftakt?

Ullrich: Wäre ich nicht mehr nervös oder aufgeregt, wäre das hoch verdächtig. Das ist vor jedem ersten Rennen der Saison gleich.

Was tut man dagegen?

Ullrich: Man nimmt sich vor, das Beste zu geben und geht die Aufgabe motiviert und vor allem konzentriert an, weil sonst die Gefahr besteht, dass man etwas Wichtiges übersieht.